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Archiv-Artikel

DER BGH BESTÄTIGT MZOUDI-FREISPRUCH VORBILDLICH UNAUFGEREGT Ein ganz normales Strafverfahren

Niemand weiß, wie die Stimmung wäre, wenn ein islamistischer Anschlag in Deutschland stattfände. Wenn Bomben im Hauptbahnhof von München oder Hamburg explodierten. Knapp vier Jahre nach dem 11. September 2001 ist die Stimmung hierzulande noch immer relativ nüchtern – wachsam, aber ohne den Furor, der die Auseinandersetzung mit der RAF in den 70ern kennzeichnete.

Geprägt wird dieses Stimmungsbild nicht zuletzt durch die Urteile des Bundesgerichtshofes. So hat das höchste deutsche Strafgericht gestern den erstinstanzlichen Freispruch für den Marokkaner Abdelghani Mzoudi bestätigt. Mzoudi war zwar ein Freund der Hamburger Attentäter um Atta und Binalshibh, aber es konnte ihm keine Kenntnis der Anschlagspläne nachgewiesen werden.

Natürlich war dies kein normales Strafverfahren, gerade weil sich die Richter gestern so viel Zeit nahmen, um zu erklären, dass auch hier die Regeln eines normalen Prozesses gelten. Entscheidend ist, dass sie ihr eigenes Postulat ernst nahmen und Mzoudis Freispruch tatsächlich nicht schärfer prüften als den eines Trunkenheitsfahrers.

Es wäre übertrieben, von einem Sieg der richterlichen Unabhängigkeit zu sprechen, denn die war nie in Gefahr. Es gab keinen nennenswerten Verurteilungsdruck, weder von den Medien noch von der Politik und schon gar nicht aus den USA, wo man sich für Randfiguren wie Mzoudi und seinen Landsmann Motassadeq kaum zu interessieren scheint. Nur Generalbundesanwalt Kay Nehm hatte zuletzt Stimmung gegen den BGH gemacht. Der oberste Ankläger wirkte immer verbitterter, ja geradezu beleidigt, seit der BGH vor einem Jahr im Parallel-Fall Motassadeq die Verurteilung aufhob. Damit hat er aber wohl vor allem sich selbst geschadet und seinen Ruf als nüchterner Analytiker aufs Spiel gesetzt.

Der Hamburger Innensenator Nagel mag sich sogar über einen Freispruch gefreut haben, weil er jetzt endlich die Schärfe des Ausländerrechts zeigen und den – von al-Qaida an der Waffe ausgebildeten – Mzoudi ausweisen kann. Doch dieser geht sowieso freiwillig, weil er seine Familie sehen will. Wenn nur alles in Deutschland so unaufgeregt vor sich ginge. CHRISTIAN RATH