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Archiv-Artikel

DEMOS: SCHRÖDER WIRBT FÜR EINE EUROPÄISCHE INTERVENTIONSARMEE Instrumentalisierter Protest

Es wird immer noch demonstriert. Das ist erfreulich, aber auch erstaunlich angesichts der sturen Haltung der Kriegskoalition. Die sich von der Vorsehung getragen fühlenden obersten Feldherren Bush und Blair sagen öffentlich, dass ihnen die Dauer und die menschlichen Kosten des Kriegs vollkommen egal sind. Für den US-Präsidenten zählt einzig „der vollständige und endgültige Sieg“, wie erst am Wochenende wieder bekannt gab.

Erfreulich und erstaunlich ist das Ausmaß der Proteste auch deshalb, weil sich die Demonstranten offenbar nicht von dem Einwand einiger Kriegsbefürworter abhalten lassen, es sei unverantwortlich, jetzt noch weiter gegen den Kurs der US-Regierung zu protestieren, weil so der Krieg verlängert würde. Eine merkwürdife Logik – in deren Konsequenz es die erste Pflicht jedes friedliebenden Menschen wäre, in allen Kriegen rund um den Globus die überlegene Kriegspartei zu unterstützen. Nach dieser Logik agiert auch die vorgeblich so kriegskritische deutschen Bundesregierung. Sie ist gegen den Krieg – aber legt dem US-Militär keine Hürden in den Weg. Die B-52-Bomber fliegen ohne den leisesten Widerspruch über Deutschland, und die Verstärkung der US-Streitkräfte läuft weiter über Frankfurt und Ramstein.

So nahe wie einige Beobachter meinen, sind sich Bundesregierung und Friedensdemonstranten nicht. Natürlich sind sie sich einig in der Ablehnung des Irakkriegs, gegen den sich der Protest in erster Linie richtet. Aber dieser Krieg ist eben nur der deutlichste Ausdruck eines neuen militärischen Omnipotenzgehabes. Vielleicht weiß Schröder nur zu gut um diese Differenzen zu vielen der Antikriegsdemonstranten und lässt deshalb mitten im Krieg verbreiten, eine der Lehren aus dem Angriff der USA sei es, eine europäische Interventionsmacht aufzubauen – unter Einschluss einer global agierenden Bundeswehr. Es scheint, als wolle der Kanzler die kritische Haltung in der Bevölkerung gegen den Krieg frühzeitig auffangen und die US-kritische Strömung instrumentalisieren. Die Proteste sollen aber nicht zu einem Nachdenken über militärisch gestützte Außenpolitik führen, die die derzeitige Regierung in den vergangenen Jahren vorangetrieben hat. ERIC CHAUVISTRÉ