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Archiv-Artikel

DEMOKRATIE-ABBAU: GUTER REFORMVORSCHLAG, SCHLECHT PRÄSENTIERT Häppchen machen misstrauisch

Nichts gegen den Abbau von Bürokratie. Aber wenn die Bundesregierung als erste Maßnahme in ihrem „Masterplan Bürokratieabbau“ ausgerechnet Gerichtsverfahren effizienter machen will, so ist dies ziemlich ungeschickt. Zwar ist nicht jede rechtsstaatliche Regelung optimal, als bloße „Bürokratie“ sollte gerade die Justizministerin Zypries sie nicht denunzieren.

In der Sache sind die bisher bekannt gemachten Pläne durchaus diskutabel. Vor allem die Möglichkeit, Strafprozesse künftig drei Wochen lang statt nur zehn Tage zu unterbrechen, ist eine äußerst sinnvolle Reform. Ursprünglich wollte man mit der kurzen Frist sicherstellen, dass Richter und Schöffen bei der Urteilsfindung noch alle maßgeblichen Punkte in Erinnerung haben. Lange Prozesspausen sollten deshalb verhindert werden. Doch in der Praxis lässt sich diese Vorgabe nicht so einfach verwirklichen. Mal ist ein Zeuge krank, dann ist ein Sachverständiger in Urlaub. Stets droht die Gefahr, dass der Prozess platzt und ganz von vorn beginnen muss. Eine enorme Verschwendung von Zeit und Ressourcen. Ein guter Richter hat daher immer einige Urkunden in der Hinterhand, die er in einem „Springertermin“ dann verliest.

So bleibt die Zehntagesfrist gewahrt und der Prozess kann fortgeführt werden. Erscheinen müssen aber dennoch alle Beteiligten: die Richter, der Staatsanwalt, Angeklagter und Verteidiger.Die große Ineffizienz – das Platzen des Prozesses – wird also durch eine nicht ganz so große Ineffizienz – einen eigentlich unnötigen Prozesstag – abgewehrt.

Der Vorschlag ist also ein Musterbeispiel, wie Bürokratie abgebaut werden kann, ohne die Rechtsstaatlichkeit zu gefährden. Fraglich ist aber, ob alle der insgesamt 30 geplanten Maßnahmen diesen Test bestehen. Bisher hat Zypries nur drei Häppchen vorgestellt. Das macht misstrauisch. Möglicherweise sind die problematischen Punkte noch gar nicht bekannt. Zur Effizienz in der politischen Auseinandersetzung würde es beitragen, wenn Reformen als Ganzes und nicht nur mit einigen Appetizern vorgestellt würden. CHRISTIAN RATH