„DE CORRESPONDENT“ KLINGT ZU SCHÖN, UM WAHR ZU SEIN: EIN HINTERGRÜNDIGES ONLINEMAGAZIN MIT LESERN, DIE DAFÜR BEZAHLEN WOLLEN : Der Hype des Todes
Meike Laaff
Hierzulande dauert ja vieles ein bisschen länger: Frauen in Chefetagen bringen, Flughafen bauen sowieso. Oder sich mal mit ein paar konstruktiven Ideen beschäftigen, wie es mit diesem Journalismus weitergehen soll – in diesem oder trotz dieses Internets, das es jetzt seit 25 Jahren gibt.
Und so benötigte auch das Konzept von De Correspondent aus den Niederlanden sechs Monate und jede Menge Lob aus den USA, bis es jetzt in Deutschland als neueste Rettung des Onlinejournalismus durchs Medienbesserwisser-Dorf gejagt wird.
Tatsächlich klingt die Geschichte von Rob Wijnbergs De Correspondent zu schön, um wahr zu sein: Binnen acht Tagen sammelte er über eine Millionen Crowdfunding-Euro für ein ausgeruhtes, hintergründiges Onlinemagazin. Nur eine Handvoll neuer Texte am Tag. Hintergrund zu aktuellen Themen statt hektisch aktualisiertes Breaking-News-Stakkato, renommierte Autoren, Bezahlabo statt Werbung. Und trotzdem funktioniert’s: über 29.000 Leser zahlen dafür 60 Euro im Jahr.
„Ja, endlich!“, tönt es aus meiner Twitter-Echokammer. Vor allem die Journalisten unter ihnen sind ganz besoffen vor Glück, dass ihre berufliche Zukunft vielleicht doch im Reportagejournalismus liegen könnte – und nicht darin, wie Legebateriehennen unter Neonbeleuchtung Ticker ins Internet zu schrubben.
Wie schick das wäre – ein digitales Magazin von glücklichen Journalisten für glückliche Leser. Texte, die, anders als die Spons dieser Medienlandschaft, auch mal halten, was ihre Anreißer herbeialarmieren. Weniger bescheuerte Echtzeit-Ticker über royale Hochzeiten und Hoeneße – wer soziale Netzwerke nutzt, hat für Breaking News längst andere verlässliche Kanäle.
Doch bei allem Gejubel um De Correspondent wird mir ganz bange um die schöne Idee. Weil der letzte Hype um die Zukunft des digitalen Journalismus gar nicht lange her ist. Mit ihrem multimedialen Erzählprojekt „snow fall“ machte die New York Times vor, wie vielschichtig man im Netz Geschichten erzählen kann, kostet man alle Möglichkeiten des Mediums aus.
Montag Barbara Dribbusch Später
Dienstag Jacinta Nandi Die gute Ausländerin
Mittwoch Matthias Lohre Konservativ
Donnerstag Margarete Stokowski Luft und Liebe
Freitag David Denk Fernsehen
Danach wollte jede zweite deutsche Medienklitsche auch ein bisschen auf digitale Avantgarde machen und tat, wofür die Deutschen in der Digitalbranche längst berühmt sind: sie kopierten die Idee einfach. Snowfallisierten ihre Recherchen. Und zwar meist schlecht. Weshalb sie beim Leser floppten.
Auch das Konzept vom entschleunigten abofinanzierten Digitalmagazin wird man schnell totkopieren können – wenn schon wieder der Fehler gemacht wird, dass alle darin und einzig darin die Antwort auf alle Probleme ihres Mediums sehen. One-Size-Fits-All-Lösungen gibt es im Netz immer seltener. Um das zu begreifen genügt ein Blick in die USA, wo derzeit viele Antworten auf die Krise ausgemendelt werden – vom Sugardaddy-finanzierten neuen Ding von Glenn Greenwald bis zum Bezahlblog des Journalisten Andrew Sullivan. Auch hierzulande werden die Journalisten rausfinden, was funktioniert. Auch wenn’s mal wieder ein bisschen länger dauert.