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DDR-ZwangsarbeiterEntschädigung von Ikea gefordert

Frühere Zwangsarbeiter wollen vom Möbelkonzern finanzielle Widergutmachung. Auch Neckermann und Quelle stehen im Verdacht, DDR-Häftlinge beschäftigt zu haben.

Will die Vorwürfe überprüfen: Schwedischer Möbelkonzern Ikea. Bild: dpa

DÜSSELDORF afp | Nach dem Möbelkonzern Ikea gibt es gegen weitere westliche Unternehmen Vorwürfe wegen der angeblichen Beschäftigung von DDR-Zwangsarbeitern. Das Handelsblatt vom Freitag berichtet von einer Betroffenen, die als DDR-Häftling für die Versandhäuser Quelle und Neckermann Bettbezüge genäht haben soll.

„Zwischen 1974 und 1976 habe ich Bett- und Kopfkissenbezüge für den VEB Planet genäht“, sagte die ehemalige Zwangsarbeiterin Tatjana Sterneberg der Zeitung. „Diese Bettwäsche habe ich nach meiner Entlassung bei Quelle und Neckermann gefunden.“

Für 192 Stunden Arbeit im Monat habe sie damals 345 Ostmark erhalten, erzählte Sterneberg dem Blatt. „Später habe ich erfahren, dass beim VEB Planet für mehr als 100 Millionen Mark produziert wurde. Jedes Jahr.“

Der schwedische Fernsehsender SVT machte zuletzt auf die Beschäftigung von DDR-Zwangsarbeiter für West-Konzerne aufmerksam. Der Sender berichtete von DDR-Zwangsarbeitern, die in den 70er- und 80er-Jahren Produkte für das schwedische Möbelhaus Ikea gebaut haben sollen.

Menschenunwürdige Arbeit

Als der Sender ihn im vergangenen Herbst kontaktiert habe, „wurde mir klar, dass die Teile, die ich damals im Gefängnis herstellte, tatsächlich aussahen wie das, was ich dann Jahre später bei Ikea im Regal fand“, sagte der ehemalige Zwangsarbeiter Dieter Ott nun der Zeitung.

Die Bedingungen, unter denen er im DDR-Betrieb Mewa Schrankscharniere, Türgriffe und Stuhlroller hergestellt habe, seien „menschenunwürdig“ gewesen, sagte Ott. „Ikea soll ehrlich sein und sagen, wie viele Zwangsarbeiter genutzt wurden“, forderte er.

Wenn der Konzern einen wirtschaftlichen Vorteil von diesem Arrangement gehabt habe, „dann sollte man auch über Entschädigung sprechen“. Ikea hatte bereits im Verlauf der Woche angekündigt, die Vorwürfe zu überprüfen. Das werde allerdings noch einige Zeit in Anspruch nehmen.

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14 Kommentare

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  • A
    aurorua

    "Für 192 Stunden Arbeit im Monat habe sie damals 345 Ostmark erhalten"

     

    Immerhin, das ergab damals mehr Kaufkraft als die 180 Euro die ein ein EURO Zwangsarbeiter heutzutage erhält.

  • HW
    Heinz Wollner

    @Thomas: Natürlich gibt es Ausnahmen, aber grundsätzlich gilt:

     

    Strafgefangene und Sicherungsverwahrte sind gemäß Strafvollzugsgesetz verpflichtet, eine ihnen zugewiesene Arbeit auszuüben, zu der sie körperlich in der Lage sind (§ 41 StrVollzG). Hierfür erhalten sie eine Arbeitsentlohnung, die 9% des durchschnittlichen Verdienstes der ArbeiterInnen und Angestellten beträgt (§ 43 Abs. 2 StrVollzG).

  • T
    Thomas

    @Heinz Wollner

    Ich weiß aus eigener Erfahrung das man nicht arbeiten muss in einem Gefängniss der BRD. Daher ist mir egal was bei Wikipedia steht.

  • HW
    Heinz Wollner

    @Michael K: Damit wir uns nicht falsch verstehen: ich bin gegen jede Art von Arbeitszwang und Ausbeutung von Gefangenen. Aber ich finde es historisch fatal, wenn Menschen, die in einem DDR-Gefängnis arbeiten mussten, als "Zwangsarbeiter" bezeichnet werden, also mit einem Begriff, der bislang für Menschen verwendet wurde, die von den Nationalsozialisten im schlimmsten Fall durch Arbeitseinsätze getötet wurden. Auch in BRD-Knästen arbeiten Menschen jeden Tag für wenig bis gar kein Geld und wenn es nach mir ginge, würden die auch entschädigt für diese Jobs, aber auch die würde ich nicht als Zwangsarbeiter bezeichnen.

  • X
    Xriss

    3 Dinge (von Jemandem, der in DDR Zuchthäusern im Akkord Kamerateile gestanzt und Eisenbahnwaggons zerlegt hat)

     

    - nun allein IKEA oder andere heute noch existente Unternehmen an den medialen Paranger zu stellen, ist billig. Dazu müsste erstmal geklärt werden, ob denen DAMALS bewusst war, wo produziert wurde. Denn gekauft haben die ja direkt oder indirekt beim VEB Rotes Schrankscharnier oder wie immer der Laden hieß, die ja auch "zivile" Fertigungsstätten hatten, die den IKEA Einkäufern maximal gezeigt wurden

     

    - der Begriff "Zwangsarbeit" ist in Deutschland tatsächlich besetzt und in diesem Zusammenhang unangebracht, allerdings gab es in der DDR den weit gefassten strafrechtlich relevanten Begriff der "Asozialität"; Asoziale (also Menschen, die sich gesellschaftlichen Normen gegenüber mehr als üblich nicht anpassten) wurden durchaus zu hohen Haftstrafen verurteilt und in der Haft zur Arbeit gezwungen

     

    - die Verhältnisse in DDR Gefängningnissen mit denen im heutigen Deutschland (oder auch nur in der damaligen BRD) zu vergleichen ist zynisch: es wurden systematisch Arbeitsschutzbestimmungen missachtet, dagegen vorzugehen wurde bestraft (es gab praktisch keinen Kontakt nach draussen, um sich von dort Unterstützung zu holen), die Akkordnormen waren derart hoch, dass es ständig zu schweren Arbeitsunfällen mit Verstümmelungen kam, Schutzkleidung wurde verweigert etc. pp.

     

    Dass auch heute nich in vielen Teilen der Welt unter ähnlichen Bedingungen produziert wird, relativiert das nicht. Es sollte vielmehr Anlass sein, auf die Herkunft von Produkten zu achten!

  • MK
    Michael K

    Ich kann nicht glauben was für A-löcher hier kommentiert haben. Man kann nur hoffen dass Sie mal in einem autoritären Staat, am besten noch unrechtmäßig, in den Knast geraten und dann arbeiten müssen.

     

    Nehmen wir doch mal an Sie fahren in den Urlaub in das Land X und müssen dort ins Gefängnis weil Sie aus Versehen ein Gesetz gebrochen haben, was es hier so nicht gibt. Wie Sie ja sicher wissen, schützt Unwissenheit vor Strafe nicht. Sie also im Knast, und dann Zwangsarbeit, zum Beispiel Fernseher für Sony oder Armaturenbretter für General Motors. Das würde ich mir ja gerne mal anhören, das muss dann ungefähr so klingen: "Ja natürlich möchte ich jetzt gerne arbeiten gehen, gerne baue ich auf Niedrigstlohn-Basis Fernseher für meine in Freiheit lebenden Mitmenschen zusammen. Das ist doch selbstverständlich! Da kann sich doch keiner beschweren, das ist doch normal, lasst uns arbeiten gehen!" Und dann später kommen sie raus und sollen für das Armaturenbrett in Ihrem neuen Opel Geld bezahlen, was Sie nicht haben, weil Sie für die Herstellung nicht vernünftig entlohnt wurden. Aber das sollte sie ja nicht stören, ist ja normal.

     

    Ja? Sie finden das klingt nach Ihnen? Na dann gute Nacht.

  • N
    Name

    Ich gebe zudem noch zu bedenken, dass man viele der Arbeitsverhältnisse in Südeuropa, Asien und Afrika, die uns mit billiger Kleidung und Nahrung versorgen dann auch unter das Z-Wort fassen müsste.

  • Z
    Zerrspiegel

    Prima, also wenn Ikea (und Quelle, Neckermann und wer da noch so "auffliegt") dann zu den Entschädigungen an vermeintlichen DDR-Zwangsarbeitern verdonnert wurde, dann machen wir doch am besten mal bei den wirklich kriminellen Machenschaften dieser Zeit weiter! Oder wie sieht es aus mit den Herstellungsverfahren unserer Billigheimer wie KiK & Co? Ach, das ist nicht so wild, weil der halbe Globus zwischen uns und den tausenden von unterernährten und nähenden Kindern in Bangladesh liegt ... ich Naivling! Na, dann vergessen wir das mal schnell wieder, reicht ja auch, wenn Billy und Hemnes preislich aufrüsten, da dürfen wenigstens die T-Shirts weiterhin 1,99 Euro kosten ...

  • R
    René

    Wirklich krass, wie sich dieser Artikel hier rein um IKEA dreht. Dabei wird unterschlagen, wer der wirklich Verantwortliche ist. Schließlich war es die DDR, die Menschen eingesperrt hat, die z.B. kritisch gegenüber dem Sozialismus waren, um sie dann als Zwangsarbeiter auszubeuten!

     

    Da die DDR die Gewinne gemacht hat, wäre es eigentlich nur fair (wenn auch rechtlich unmöglich), dass die damals Verantwortlichen aus der SED bzw. ihre Nachfolgeorganisationen PDS/DIE LINKE die Entschädigung zahlt.

  • HW
    Heinz Wollner

    @thomas: Wenn ich dazu einfach mal Wikipedia zitieren dürfte:

     

    "Anders als im (inzwischen abgeschafften) Zuchthaus, wo die Häftlinge mit Zwangsmitteln zur harten körperlichen Arbeit (z. B. Steinbrucharbeiten, Torf stechen) angehalten wurden, gibt es in einem Gefängnis keine Zwangsarbeit, die Gefangenen sind aber sehr wohl zur Arbeit verpflichtet: Arbeit ist ein zentrales Element des modernen Behandlungsvollzugs. In Deutschland gilt dies, sobald sich der Gefangene in Strafhaft befindet. Arbeitsverweigerung wird deshalb disziplinarisch bestraft. Jugendliche Gefangene sind aus erzieherischen Gründen grundsätzlich zur Arbeit verpflichtet."

     

    Und wo soll der Unterschied sein, ob ich in einem westdeutschen Knast Tüten klebe oder in einem ostdeutschen Knast für Ikea schraube?

  • FK
    Fred Kirchheimer

    Das ist doch nur noch lächerlich, von Zwangsarbeitern zu sprechen und so einen Verbindung zum Mißbrauch im von Berlin aus regierten Dritten Reich zuz schaffen.

     

    In allen Gefängnissen weltweit und somit auch in der BRD werden Häftlinge zu Arbeiten herangezogen und auch zu solcher für externe Auftraggeber. Und was soll daran unpassend und menschenunwürdig sein, wenn man den Menschen die Möglichkeit zur Arbeit und etwas Zuverdienst gibt? macht es Klick beim Begriff "Beschäftigungstherapie"?

     

    Gerade vor Weihnachten wird doch genügend Tand angeboten, mit dem ausdrücklichen Hinweis darauf, daß er in Heimen und Werkstätten von Behinderten hergestellt wurde. Sind das auch Zwangsarbeiter?

     

    Mir kommt es eher so vor, als ob das Arbeiten für die TAZ einige schon so überbeansprucht, daß sie jedes Aufheben einer Büroklammer bereits als Zwang, also als Zwangsarbeit sehen.

     

    Ich empfehle das Aufsuchen eines Psychiaters. Bei der Charite wird man sicher helfen können.

  • N
    Name

    Die ehemals kritische taz ist hier mal wieder einer der vielen DDR-Bashing-Kampagnen auf den Leim gegangen. Denn das Wort "Zwangsarbeiter" ist hier in der Tat böse, historisch falsch und irreführend. Siehe Kommentar Heinz Wollner.

  • T
    Thomas

    In Gefängnissen der BRD ist niemand zum arbeiten gezwungen. Wenn jemand freiwillig arbeitet, kann Er/Sie dadurch die Strafe verkürzen und die Arbeitsbedingungen sind nicht wie in der DDR

  • HW
    Heinz Wollner

    Was soll in diesem Zusammenhang eigentlich der Begriff "Zwangsarbeiter" bedeuten? Meines Wissens ist es auch in Gefängnissen der BRD üblich, dass die Gefangenen für Unternehmen arbeiten, etwa Tütchen mit Schrauben befüllen und ähnliches. Und wer das verweigert, sieht sich Repressionen ausgesetzt.

    Sind das jetzt auch alles Zwangsarbeiter? Oder wird hier bewusst auf das Schicksal der Zwangsarbeiter aus dem Dritten Reich angespielt? Das fände ich, gelinde gesagt, mehr als unmöglich.