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DDR-Richterin streitet Rechtsbeugung ab

■ Angeklagte beruft sich auf „politische Treuepflicht“ gegenüber der Staatsidee

Eine der Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung angeklagte ehemalige DDR-Richterin hat gestern vor Gericht alle Vorwürfe zurückgewiesen. Sie sei sich völlig sicher, „niemals wissentlich gesetzwidrig zu ungunsten eines Angeklagten“ entschieden zu haben, erklärte die 67jährige Gerda K. vor dem Berliner Landgericht. Die Anklage verletze ihr Berufsethos und ihre Ehre. Der früheren Oberrichterin des Ostberliner Stadtgerichts wird vorgeworfen, als Vorsitzende des Strafsenats 1a zwischen 1978 und 1986 in 15 Fällen langjährige Freiheitsstrafen verhängt zu haben. Betroffen waren Bürger, die „öffentlich die Grundrechte der Verfassung der DDR wahrnahmen und die DDR verlassen wollten“, heißt es in der Klageschrift. Die höchste Freiheitsstrafe von 15 Jahren hatte sie über einen leitenden Mitarbeiter des einstigen Schwermaschinenbau-Kombinats „Ernst Thälmann“ wegen Sabotage verhängt.

Zu den einzelnen Vorwürfen wollte die Angeklagte nicht Stellung nehmen. In einer Erklärung betonte sie, daß die Strafrechtsprechung an die Verfassung der DDR und das Völkerrecht gebunden gewesen sei, wobei das Schutzbedürfnis des Staates Vorrang gehabt habe. Sie habe als Richterin der DDR ihre Berufspflichten erfüllt. Wesentliches „Eignungsmerkmal“ für diesen Beruf sei „politische Treuepflicht“ gewesen. Das hieße, sich mit der Idee des Staates, der sie als Richterin dienen sollte, zu identifizieren.

Zu Beginn des zweiten Verhandlungstages erklärte das Gericht die Angeklagte Gerda K. als Ergebnis einer ärztlichen Untersuchung für verhandlungsfähig und lehnte einen Antrag der Verteidigung ab, das Verfahren auszusetzen.

Rechtsanwalt Wolfgang Ziegler hatte den Anklagevertreter als voreingenommen bezeichnet und dessen Ablösung gefordert. Das Gericht stellte die Entscheidung über Erlaß eines Haftbefehls ebenso zurück wie den Antrag der Verteidigung, ein neurologisch- psychiatrisches Gutachten einzuholen. AP

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