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Archiv-Artikel

DAS TRIBUNAL GEGEN SADDAM HUSSEIN WIRD IM SCHATTEN DER USA STEHEN Kein Prozess für Menschenrechte

Ein Prozess gegen Saddam Hussein und seine Kamarilla ist unbedingt notwendig. Das erheischen Gerechtigkeit und Respekt gegenüber den Opfern seiner Tyrannei ebenso wie die Selbstverständigung des irakischen Volkes über ein künftiges demokratisches Gemeinwesen. Ob aber die gestern verkündete formale Übergabe Saddams (er bleibt in amerikanischem Gewahrsam) an das irakische Sondertribunal letztendlich einen fairen Prozess auf den Weg bringen, ob er das Vertrauen der Irakis in die Geltung der Menschenrechte und in das „rule of law“ für die Zukunft wecken wird, ist mehr als fraglich.

Das Tribunal wurde vom irakischen Verwaltungsrat installiert, einem von der Besatzungsmacht verlesenen Gremium. An seiner Spitze steht, als „Verwaltungsdirektor“, Salem Tschalabi, ein in den USA ausgebildeter Jurist mit engen Verbindungen zur gegenwärtigen amerikanischen Regierung. Salem Tschalabi versichert, dass die Richter des Tribunals wie auch die Untersuchungsrichter von einer irakischen Kommission ausgewählt wurden und, dank internationaler Expertenberatung, hinreichend qualifiziert für ihre Aufgabe sein werden. Selbst wenn dies zuträfe, stünde es um ihre Legitimation keinen Deut besser. Nur ein von einem frei gewählten irakischen Parlament bestimmtes Tribunal könnte aus dem Schatten der USA treten und auf Anerkennung seitens der Irakis hoffen. Wie muss es hingegen um die Autorität von Richtern bestellt sein, deren Namen „aus Sicherheitsgründen“ geheim bleiben?

Politisch dient der US-Regierung das Tribunal als Instrument einer Abrechnung, die sich auf Saddam und seine engsten Mitarbeiter fokussiert, um gleichzeitig Führungskräfte der Baath-Partei unterhalb dieser Ebene wieder zu aktivieren. Indem jetzt auf die „bewährten Kader“ zurückgegriffen wird, hofft die US-Besatzungsmacht, ihre Sicherheitsprobleme in den Griff zu bekommen, vor allem im „sunnitischen Dreieck“ und in Bagdad selbst. Die gewendeten Baathisten aber werden, mit der Versicherung „Ich war’s nicht, Saddam ist es gewesen“ auf den Lippen, gemäß ihrem gewohnten Verständnis von Demokratie und Rechtsstaat handeln. CHRISTIAN SEMLER