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Archiv-Artikel

DAS GEJAMMER ÜBER DEN „STANDORT DEUTSCHLAND“ IST ÜBERFLÜSSIG Gute Arbeit wird auch gut bezahlt

Seit Jahren verfolgt uns das Gejammer über den „Standort Deutschland“. Weil der angeblich nicht wettbewerbsfähig ist, soll der Staat die Steuern senken, sollen Gewerkschaften ihre Lohnforderungen mäßigen und hohe Umwelt- und Sozialstandards allenfalls als Selbstverpflichtung gelten. Man könnte also meinen: Was die Welt in Zeiten der Globalisierung nicht mehr braucht, sind die überteuerten deutschen Produkte. Doch weit gefehlt. Deutschland hat im letzten Jahr einen neuen Exportrekord erzielt. Der Warenstrom ins Ausland lag um 126 Milliarden Euro über den Importen. Die Behauptung, der Standort Deutschland sei nicht wettbewerbsfähig, ist schlicht falsch.

Gewiss: Zu dem Exportrekord hat auch der Euro beigetragen, der im letzten Jahr fast durchweg schwächer war als der Dollar. Doch der deutsche Außenhandel spielt sich nach wie vor besonders innerhalb der Europäischen Union ab. Dort bringt der schwache Euro keinen Vorteil.

Viel stärker wiegt, dass Deutschland zu mehr als einem Drittel Autos, Maschinen und komplizierte technische Geräte exportiert. Solche Güter sind vom Preis relativ unabhängig. Und bei deutschen Autos gilt das Prestige, einen Mercedes oder Porsche zu fahren – Geld spielt keine Rolle. Branchen, die unter der billigen Konkurrenz aus Asien leiden, tragen zum Gesamtexport nur wenig bei: Spielwaren, Möbel und Sportgeräte etwa machen gerade einmal eineinhalb Prozent aus. Außerdem ist der „Faktor Arbeit“ in Deutschland im internationalen Vergleich gar nicht mehr so teuer. In Großbritannien und den USA, die den Deutschen beim Export Konkurrenz machen, sind die Arbeitskosten in den letzten Jahren stärker gestiegen als hierzulande.

Die Standortdebatte ist eine Scheindebatte. Der Wettbewerbsvorteil der Bundesrepublik, mit gut ausgebildeten Arbeitskräften gute Produkte herzustellen, besteht nach wie vor. Die teuren Arbeitskräfte sind ein innenpolitisches Problem, denn hier verhindern sie die Schaffung neuer Arbeitsplätze und belasten die Sozialkassen. Nur in diesem Kontext macht die Debatte über Löhne und Steuersenkungen Sinn. KATHARINA KOUFEN