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Archiv-Artikel

DAS FISCHER-BASHING ÜBERTÜNCHT DIE ZIELLOSIGKEIT DER GRÜNEN Billige Ersatzbefriedigung

Die Geheimdienstaffäre war für die Grünen bisher ein Desaster. Um den Schaden zu begrenzen, geben sie sich jetzt wieder extrem aufklärungshungrig. Von der Al-Masri-Entführung bis zum BND in Bagdad fordern sie dringlich Auskunft. Die Grünen stellen 67 Fragen – und ein Ultimatum. Entweder die Regierung antwortet bis Mitte Februar, oder es gibt doch noch einen U-Ausschuss. Das klingt eifrig, entschlossen, nach echtem Interesse an der Sache. Nun ja. Die aktuellen Interviews grüner Spitzenkräfte zeigen: So richtig interessieren sie sich nur für eine Frage. Wann geht Joschka Fischer?

In der Führung der Nicht-mehr-Regierungspartei ist ein bizarrer Wettstreit darum ausgebrochen, wer dem Muppet-Opa auf der Hinterbank am deutlichsten den Mund verbietet. Selbst Fraktionschef Kuhn, lange als „Fischers Fritz“ verspottet, sieht sich bemüßigt, seinen Ziehvater zum Rückzug zu drängen. Auf Argumente verzichtet er dabei ebenso wie Bütikofer, Künast und die anderen neuen Helden. Es reicht ihnen, zu sagen: Fischer muss weg, weil er inzwischen stört. Darin sind sich die Grünen einig, und je öfter sie es sagen, desto mehr offenbaren sie ihre Hilflosigkeit. Und ihre Leere.

Wollen sie irgendetwas anders machen als Fischer? Haben sie ein neues Programm, das Fischer durch seine Präsenz verhindert? Würden sie die Sozilareformen à la Hartz IV gerne ändern – wenn ja, in welche Richtung? Es wäre interessant, dazu etwas zu hören. Stattdessen erwecken die Spitzengrünen den jämmerlichen Eindruck, Fischer habe quasi allein regiert und blockiere jetzt auch noch den Neuanfang. Fischers mangelnde Auskunftsfreude in Sachen BND interpretieren sie als Ausdruck seiner Neigung, Macht vor Inhalte zu stellen. Und sie tun angewidert. Das ist doppelt verlogen. Erstens, weil von Fischers Erfolgen alle gerne profitierten. Zweitens, weil in Wirklichkeit gerade die neue grüne Politik in ziellose Taktik abgleitet. Während Fischer für Rot-Grün kämpfte, sind seine Erben allseits bereit, flirten mal mit der Linkspartei, mal mit der CDU. Das Problem der Grünen ist ihre programmatische Unkenntlichkeit, Fischer-Bashing hilft dagegen wenig. LUKAS WALLRAFF