DAS ENTSCHEIDENDE DETAIL : Paris und Kobani
„JE SUIS KURDE“ Im Oktober 2014 erklärte sich der ermordete „Charlie Hebdo“-Chefredakteur Stéphane Charbonnier zum Kurden. Denn die Kurden seien es, die die Menschheit gegen barbarische Gangster verteidigen
Es ist eine Frage, wer sich heute zu Charlie erklärt. Eine ganz andere lautet, wozu sich Charlie selber erklärt hat. Im Oktober 2014 lautete die Antwort des ermordeten Chefredakteurs Stéphane Charbonnier (Charb): „Aujourd’hui, je suis kurde“ – „Heute bin ich Kurde“. Denn die Kurden würden, so schrieb er in L’Humanité, „uns alle verteidigen, nicht gegen einen fantasierten Islam, den die Terroristen der ISIS nicht vertreten, sondern gegen das barbarischste Gangstertum“.
Da haben Kämpfer des Islamischen Staates die syrisch-kurdische Grenzstadt Kobani eingekesselt. In der Türkei und in Europa gab es Demonstrationen und, so die Legende, ein Exkrimineller namens Lutz Bachmann wird durch eine Demo von Kurden und Linken in Dresden auf das Thema aufmerksam – der Anfang von Pegida, in deren Logo ja auch das PKK-Emblem im Mülleimer versenkt wird.
Charbonnier war der Auffassung, die kurdischen Kämpfer seien „das einzige Bollwerk gegen den Vormarsch des Islamischen Staates‘“ und würden nicht nur für sich kämpfen, sondern für die gesamte Menschheit; die Dresdener Hinterwälder wollen „keine Glaubenskriege auf deutschem Boden“. Damit ist beantwortet, ob es Pegida um den Dschihadismus oder um ganz andere Dinge geht. Und ob Pegida eine politisch-moralische Berechtigung hat, #JeSuisCharlie für sich zu reklamieren.
Am Freitag, zwei Tage nach dem Angriff auf Charlie Hebdo und zwei Tage vor dem großen Trauermarsch, demonstrierten einige tausend Kurden in Paris, um an die Ermordung von drei PKK-Frauen zwei Jahre zuvor in Paris zu erinnern. Auf einem großen Transparent stand: „Die Barbarei, die in Paris gemordet hat, mordet auch in Kobani.“ Stéphane Charbonnier hätte nicht widersprochen. DENIZ YÜCEL