DAS DING, DAS KOMMT : Runde Sache
Der Tonträger in der Kunst: In Hamburg spricht der Musiker und Labelbetreiber Volker Zander über die KÜNSTLER-SCHALLPLATTE
Keine andere Form „als sie selber zur Schau trägt“ mochte Theodor Adorno ihr noch Mitte der 1930er-Jahre zutrauen. Nicht mehr als „eine schwarze Scheibe“ sei die Schallplatte, „in der Mitte ein kreisrunder Zettel“ und „im Innersten darin ein kleines Loch“. Künstlerisch nicht gestaltbar.
Weit gefehlt, alter Kulturpessimist. Kunst und Vinyl, das meint heute ein weites Feld: Schallplatten, Schallplattenhüllen, Schallplattenobjekte, Schallplatteninstallationen. Drei Subkategorien hat die Ausstellung „Broken Music“ 1989 in Berlin vorgeschlagen: Künstler benutzen Schallplatten als Medium, Künstler musizieren selbst, Künstler arbeiten mit Musikern zusammen.
Künstlerschallplatten wären also schon die schwarzen Scheiben gewesen, die Marcel Duchamp 1926 mit Wortspielen in spiralförmigen Mustern beklebt hat und für seinen Experimentalfilm „Anèmic Cinèma“ rotieren ließ. Und eben Milan Knížáks „Broken Music“: Überklebte, übermalte, mit Feuer bearbeitete, zersägte und wieder zusammengesetzte Scheiben, die auch gleich den Plattenspieler mitzerstörten, auf dem sie abgespielt wurden. Und natürlich Plattencover wie Andy Warhols berühmte Banane für Velvet Underground & Nico.
All das findet man heute im Museum, vor allem den klassischen Kanon von den 1960ern bis in die 1980er. Was dort meist fehlt, ist hingegen die Aufarbeitung all dessen, was in den letzten 20 Jahren veröffentlicht worden ist. Wer sich darüber informieren möchte, für den führt hierzulande kein Weg an „a-musik“ vorbei, Wolfgang Brauneis’, Frank Dommerts und Georg Odijks Kölner Label, Plattenladen und Vertrieb und seit Mitte der 1990er-Jahre stilprägend im Grenzbereich von elektronischer und Neuer Musik.
Ebendort vertreibt auch Volker Zander seit 2005 über sein Label „Apparent Extent“ Langspielplatten für und mit bildenden Künstlern wie Johanna Billing, Karl Holmqvist, Angela Fette oder Christian Jendreiko. In Eile ist er dabei nicht, zwei bis drei erscheinen pro Jahr. Im Juni kam Kasia Fudakowskis „Stoikerinnen“ heraus: integraler Bestandteil ihrer Ausstellung im Kunstverein Harburger Bahnhof in Hamburg – und Auftakt zu einer Reihe von Künstlerschallplatten, die zu kommenden Ausstellungen veröffentlicht werden sollen.
Am Sonntag ist Zander im Harburger Bahnhof zu Gast, spricht über seinen persönlichen Hintergrund als Stadtplaner und Musiker – unter anderem als Bassist von Calexico – sowie über den Entstehungsprozess von Schallplatten im Kontext von Ausstellungen und ihren Institutionen. Das Ganze ist auch ein Vorgriff auf eine Convention zu Künstlerschallplatten im Frühjahr: Dann soll es um die Beziehungen zwischen bildender Kunst, Klang und Musik gehen. MATT
■ So, 19. 10., 19 Uhr, Kunstverein Harburger Bahnhof