DAS DETAIL : Selbst gezüchtete Verlagsleitung
Der Moritzplatz in Berlin-Kreuzberg ist noch immer ein bisschen öde, auch wenn mit dem Betonkasten des Aufbau Hauses ein bisschen Leben in den Ort gekommen ist. Im Aufbau Haus befindet sich nämlich neben den Verlagen der Aufbau-Gruppe (Metrolit, Die andere Bibliothek, Rütten & Loening und Aufbau selbst) auch das Kaufhaus Modular, das Bastelbedarf für Erwachsene anbietet.
Doch dem Haus gegenüber, auf der anderen Seite der Prinzenstraße, herrscht geradezu ländliche Ruhe. Dort befinden sich nämlich die sogenannten Prinzessinnengärten, ein Ort für Hippies und Hipster, die ihr schnödes Laubenpiepertum mit dem Wort Urban Gardening aufhübschen. Sie gärtnern dort fröhlich vor sich hin, pflanzen Tomaten und Gurken in Holzkisten und bekämpfen den Wurm und den Käfer nicht mit Gift, sondern mit Liebe. Am Ende dann verzehren sie voller Hingabe das Selbstgeerntete: So viel Schönes gibt uns die Natur. Das Prinzip Homegrown ist nun auch im Betonklotz gegenüber angekommen, denn die Aufbau-Verlage streben zwar nach Urbanität und Moderne, doch sie wollen aufs Selbstgezüchtete nicht verzichten. Als Ende Januar die beiden bisherigen Verlagsleiter, René Strien und Tom Erben, das Haus verließen, fragte man sich, wie es weitergehen wird. Seit gestern ist die Lösung bekannt – der Metrolit Verlag wird von Peter Graf geleitet, der Rest von Gunnar Cynybulk und Reinhard Rohn, alle drei waren bereits in den jeweiligen Verlagen als Lektoren tätig und de facto die Stellvertreter ihrer Vorgänger. Man setzt im Hause Aufbau also auf Eigenzüchtungen und somit auf Kontinuität – das Bewährte wird, wie gegenüber in den Hipsterbeeten, bewahrt. Für das Verlagsprogramm heißt dies wohl, dass mit keinen einschneidenden Veränderungen zu rechnen ist, auch wenn bereits angekündigt wurde, dass die einzelnen Verlagsprofile wieder stärker herausgearbeitet werden sollen. Ob das die Aufbau-Verlagsgruppe, um deren Zukunft sich der Eigentümer Matthias Koch, ein Investor und pensionierter Lehrer, in letzter Zeit öffentlich sorgte, schnell absichern wird, ist nicht zu sagen. Offenkundig aber ist, dass man mit den Programmen der letzten Jahre zufrieden war, nur war man es wohl nicht mehr mit den Erträgen. Nun wird weitergemacht, mit sanften Änderungen, nur eben mit neuen, alten Gesichtern an der Spitze. Warum sollte man sich auch am Aufziehen von Kiwis und Feigen versuchen, wenn man sich mit Gurken und Tomaten besser auskennt?JÖRG SUNDERMEIER