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DAG stellt Existenzfrage für Kammern

■ Per Urabstimmung oder Volksentscheid soll über Zwangsmitgliedschaft entschieden werden

Nach dem zähen Dauerstreit der letzten Monate zwischen DAG-Minderheit und DGB-Mehrheit in der Angestelltenkammer greift die Angestelltengewerkschaft jetzt zu rabiaten Mitteln. Ab heute will sie mit den Vorbereitungen für einen Volksentscheid beginnen, der schon bald das Ende der beiden Bremer Arbeitnehmerkammern bedeuten kann.

Entscheiden soll das Volk nach dem Willen der DAG nicht nur über die umstrittene Frage einer Zusammenlegung von Arbeiter- und Angestelltenkammer, sondern auch über die Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft. Und das, da sind sich DAG und DGB ausnahmsweise einig, wäre das Ende der Kammern. Denn freiwillig wären Bremens Arbeiter und Angestellte wohl kaum bereit, 20 Millionen Mark im Jahr für das Kammerwesen zu zahlen. 270 Arbeitsplätze wären allein bei der Angestelltenkammer bedroht.

„Wir haben die Nase voll von Wahlbetrug und Verrat der DGB-Mehrheit“, begründeten gestern DAG-Bezirksleiter Hartmut Frensel und die DAG-Fraktionsvorsitzende in der Vollversammlung der Angestelltenkammer, Brigitte Dreyer, ihren Vorstoß. Eine Kammer, die von ihren Zwangsmitgliedern offenbar nicht mehr akzeptiert werde, habe ihre Daseinsberechtigung verloren. Oder, wie Hartmut Frensel es ausdrückte: „Wenn nur noch ein paar Gewerkschaftsfuzzis die Kammern wollen, dann haben sie sich doch überholt.“

Auf einer Sitzung der Angestelltenkammer-Vollversammlung wollte die DAG gestern abend noch einen allerletzten Versuch starten, ihre Drohung mit dem Volksentscheid abzuwenden. Sie beantragte die Durchführung einer Urabstimmung unter allen 143.000 Mitgliedern der Angestelltenkammer über die Frage der Zusammenlegung mit der Arbeiterkammer und über die Aufrechterhaltung der Zwangsmitgliedschaft. Bisher müssen nach dem Kammergesetz alle Beschäftigten im Land Bremen 0,15 Prozent ihres Bruttoarbeitslohns an eine der Kammern entrichten.

Unter der Drohung einer Volksabstimmung über die gesamte Kammer-Existenz wollte gestern auch die DGB-Mehrheit einer Mitgliederbefragung prinzipiell zustimmen. Eine komplette Urabstimmung sei jedoch viel zu teuer, sagte Kammer-Präsidentin Irmtrud Gläser. Denkbar sei dagegen eine repräsentative Umfrage. Und auch die solle lediglich die Zusammenlegung mit der Arbeiterkammer, nicht aber die Aufrechterhaltung der Zwangsmitgliedschaft zum Thema haben.

„Darauf lassen wir uns nicht ein“, konterte die DAG-Fraktionsvorsitzende Brigitte Dreyer. Angesichts der desolaten finanziellen Situation der Kammer und ihrer stark gesunkenen Akzeptanz in der Bevölkerung sei eine Urabstimmung mit einer Beteiligung von mindestens 50 Prozent das einzige Mittel, um festzustellen, „ob die Bremer Beschäftigten überhaupt noch eine Kammer wollen“. An den letzten Kammer-Wahlen im vergangenen November hatten sich lediglich 37,8 Prozent der Bremer Angestellten beteiligt.

Eine Zusammenlegung der beiden Bremer Arbeitnehmerkammern, wie sie der DGB-Kreisvorstand und der Landesvorstand der SPD inzwischen fordern, ist nach dem Kammergesetz nur möglich, wenn zwei Drittel der Vollversammlungsmitglieder beider Kammern zustimmen oder das Kammergesetz von der Bürgerschaft oder per Volksentscheid entsprechend geändert wird.

Auch der Volksentscheid für eine Aufhebung der Zwangsmitgliedschaft, wie er von der DAG geplant wird, läuft auf eine Änderung des entsprechenden Paragraphen im Kammergesetz hinaus. DAG-Bezirksleiter Frensel hat für seinen Plan Beschlüsse des DAG-Bezirks und des DAG-Bundesvorstandes im Rücken. Und auch von den Parteien erhofft er sich Unterstützung – „nicht allerdings von der SPD“. Die FDP hatte bereits vor der Bürgerschaftswahl für die Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft in den Arbeitnehmerkammern plädiert. Ase

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