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DAG: „Stinkender DGB-Filz“

■ DAG-Gewerkschafter wollen „DGB-Filz“ in der Angestelltenkammer nicht mehr legitimieren

„Wir machen da nicht mehr mit“, erklärte gestern Brigitte Dreyer, DAG-Sprecherin im Aufsichtsgremium „Vollversammlung“ der Angestelltenkammer. Die DAG will „diesem stinkenden Filz“ nicht mehr durch Teilnahme „den Hauch einer Legitimation“ verschaffen, sondern an den Kammer-Sitzungen nur noch als „Öffentlichkeit“ teilnehmen. Forderungen der DAG:

-„personelle Konsequenzen“ an der Spitze der Kammer;

-vollkommene Aufklärung über die Verwendung der Mitgliedsbeiträge, die von jeder Angestellten in Bremen abkassiert werden;

-Änderung des Kammergesetzes, um mehr Transparenz und mehr interne Demokratie zu erreichen.

Die Stellungnahme der DGB-Vorsitzenden zu den laufenden Auseinandersetzungen zeigt für Brigitte Dreyer das „völlig fehlende Unrechtsbewußtsein“: 45.000 Mark seien allein 1993 aus den Kammerbeiträgen für DGB-Gewerkschaften geflossen, in denen 70 Preozent der Beitragszahler überhaupt nicht organisiert seien. Nicht-Gewerkschaftsmitglieder hätten bisher auch praktisch keine Chance, für die „Vollversammlung“ zu kandidieren.

Unmöglich sind für die DAG auch die internen Strukturen, weil zum Beispiel die Vorstandsmitglieder mitstimmen dürfen, wenn das Aufsichtsgremium dem Vorstand entlastung erteilt. „Jeder Kaninchenzüchterverein würde sich totlachen“, meinte DAG-Bezirksleiter Frensel. Wenn der DGB die Debatte um die Demokratisierung der Kammer-Strukturen nicht aufnehme, werde die DAG eine Kampagne zur Aufhebung der Pflichtmitgliedschaft beginnen: es sei nicht zu verantworeten, daß mit den Pflichtbeiträgen aller Angestellten praktisch Gewerkschaftsveranstaltungen finanziert würden.

Der Kammer-Vorstand darf für das Jahr 1993 nach Auffassung der DAG zudem nicht entlastet werden. Vorher müsse aufgeklärt werden, wer dafür verantwortlich ist, daß der Etat der Kammer um 3 Millionen überzogen wurde und bei der Tochter bbi das Stammkapital aufgezehrt wurde und 1,5 Millionen Schulden anfielen. Einer der drei Revisoren, der ÖTV-Funktionär Hering, hatte der Vollversammlung schriftlich empfohlen, die Entlastung zu erteilen - obwohl er keinerlei Belege gesehen hatte. Zwei Stunden hatten am 21.6. die Revisoren über einem Entwurf zum Jahresabschluß 93 zusammengesessen - „das war ein lockeres Gespräch“, sagt ein DAG-Teilnehmer. Während der ÖTV-Mann schriftlich der Vollversammlung die Entlastung des Vorstandes empfahl und meinte, „im Nachhinein“ könnte ja „eine detaillierte Prüfung der Revisoren“ stattfinden, haben die anderen beiden Revisoren - ein Banker und eine Steuerberaterin - ein derartiges Verfahren strikt abgelehnt.

Die DAG vermutet, daß auch deswegen die Vollversammlung, die auf gestern angesetzt war, nicht stattfinden sollte. Die Geschäftsführerin des Hotels Atlantic in Vegesack gibt dafür aber eine ganz andere Erklärung: Bestellt war ein Saal für 35, maximal 45 Personen. Größere hat das Hotel auch nicht. Damit wäre die Zulassung von Öffentlichkeit unmöglich gewesen - der Kammer-Vorstand wollte die Entlastung des Vorstandes und die Verpfändung ihrer Immobilien an die Sparkasse (vgl. taz 4./5.7.) nichtöffentlich durchziehen.

Stocksauer ist DAG-Bezirksleiter Frensel auch über die Rechtsaufsichtsbehörde des Wirtschaftssenators. „Dubios“ und „grotesk“ sei es, was der Referent Diergarten da als Aufsicht ausgebe. Bremer Angestellten-Gelder seien in Indonesien und in Griechenland in den Sand gesetzt worden, die Aufsichtsbehörde habe davon gewußt und es nicht sofort gestoppt.

Anfang Juli nun habe die DAG beiläufig erfahren, daß die Kammer um mehr als 3,5 Millionen ihr Konto bei der Sparkasse überzogen hat ohne „Vollversammlungs“-Legitimation. Dazu befragt meinte Aufsichts-Referent Diergarten nur, er DAG mit, eine derartige Verletzung der Satzung „erscheint als unbefriedigend“ - mehr nicht. Frensel: „Ich habe die Schnauze voll von Herrn Diergarten, der glaubt, uns verarschen zu können.“ K.W.

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