Coup in der Labour-Party: Brown wackelt, aber fällt noch nicht

Wenige Tage vor dem Labour-Parteitag in Manchester bringt der gezielte Rücktritt eines Staatssekretärs den britischen Premier Gordon Brown immer mehr unter Druck.

Immer noch optimistisch? Bild: dpa

DUBLIN taz Einen politischen Attentäter stellt man sich anders vor: David Cairns, der britische Staatssekretär im Schottland-Ministerium, war früher katholischer Priester. Die Presse hat ihn "Babyface" getauft. Der 44-Jährige war stets ein loyaler Labour-Abgeordneter und hat nie gegen die Regierung gestimmt. Vorgestern Abend ist er zurückgetreten und empfahl Premierminister Gordon Brown, dasselbe zu tun. Nachfolgerin von Cairns wird Ann McKechin, die Abgeordnete aus Glasgow, die Browns Gegner als "Dummköpfe" bezeichnete und dafür belohnt wurde.

Cairns beteuerte, dass er aus eigenem Antrieb gehandelt habe und keineswegs einer Verschwörung von Ministern angehöre, die Brown loswerden wollen. "Der schlechteste Tag für eine Labour-Regierung ist immer noch besser als der beste Tag einer Tory-Regierung", sagte Cairns. Aber "wir liegen mehr als 20 Prozent hinter den Tories, die den Menschen nichts anzubieten haben", sagte Cairns, "und wir liegen in Schottland weit hinter der Scottish National Party, die das schottische Volk verraten hat. Da müssen wir doch bereit sein, uns die entscheidende Frage zu stellen." Die Frage lautet, ob Brown noch tragbar sei.

Den Parteitag, der übermorgen in Manchester beginnt, wird er jedoch überleben. Bisher haben zwölf Abgeordnete eine Wahl um die Parteiführung gefordert, darunter sechs ehemalige Kabinettsmitglieder. Ernsthafte Bewerber um Browns Job sind jedoch nicht darunter. Die stellvertretende Parteivorsitzende Joan Ryan hatte vorigen Samstag die Nominierungsformulare für die Parteiführung verlangt. "Richtung und Führung der Partei werden auf allen Parteiebenen debattiert", sagte sie, "und es ist an der Zeit, diese Debatten öffentlich zu führen."

Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Siobhain McDonagh hatte am Vortag Ähnliches gesagt: "Die Regierung hat es nicht geschafft, einen Weg aufzuzeigen, um aus dem wirtschaftlichen Schlamassel herauszukommen." Beide Frauen, Ryan und McDonagh, wurden umgehend ihrer Ämter enthoben.

Der ehemalige Staatssekretär George Howarth sagte, Brown sei der unbeliebteste Premier, seit Chamberlain 1940 als Kriegspremier abgesägt wurde. Doch die Schwäche der zwölf Dissidenten ist ihr Mangel an einem glaubwürdigen Gegenkandidaten. Außenminister David Miliband, den viele schon als Brown-Nachfolger sehen, winkte ab. Er sei gegen eine Wahl für die Parteiführung, sagte er.

Außerdem bekommen Browns Gegner nicht die 71 Unterschriften zusammen, die nötig sind, um die Wahl auszulösen. So haben sie sich auf eine andere Taktik verlegt: Sie verlangen, dass die Nominierungsformulare an alle Abgeordneten verschickt werden. Wenn viele von ihnen Brown nicht erneut nominieren, so die Rechnung seiner Gegner, dann könnte das Kabinett nervös werden und ihn zum Rücktritt drängen. Die Parteiführung weigert sich jedoch, die Formulare herauszurücken. Laut Satzung sei sie nicht dazu verpflichtet.

Die Turbulenzen in der Labour Party werden nach dem Parteitag weitergehen. Der frühere Innenminister Charles Clarke schlug vor, Brown eine Bewährungszeit von zwei Monaten einzuräumen. Dann könne man über ihn auf Grund seiner Parteitagsrede, seines vorläufigen Haushaltsplans und der Nachwahl im schottischen Glenrothes richten. Diese Wahl, die Anfang November stattfinden wird, ist für Labour kaum zu gewinnen, hat man doch bereits bei einer Nachwahl im Frühjahr den sicher geglaubten Sitz in Glasgow East an die schottischen Nationalisten verloren.

Brown entgleitet langsam seine Partei. Dabei ist es erst ein Jahr her, als er nach erfolgreichem Krisenmanagement gegen Terror, Überschwemmungen und Tierseuchen bei den Wählern so beliebt war, das er vorgezogene Neuwahlen in Erwägung zog. Doch so schnell er diese Wahl herbeigeredet hatte, so schnell sagte er sie wieder ab, als die Umfrageergebnisse nicht mehr so glänzend waren. Seitdem ging es bergab.

Brown galt als kompetenter Schatzkanzler, musste sich während seiner zehnjährigen Amtszeit allerdings nie mit einer Rezession abplagen. Nun hat er sie und findet kein Mittel dagegen, weil er von seiner Doktrin, dem Markt vollkommen freien Lauf zu lassen, nicht abrücken will. Stattdessen beschwört er seine Partei, Einigkeit und Loyalität zu demonstrieren. Wer ausschert, wird entlassen oder - wie Schatzkanzler Alistair Darling, der von der schlimmsten Wirtschaftskrise seit 60 Jahren sprach - zumindest für seine Schwarzmalerei verwarnt.

Auf Dauer kann das nicht gut gehen. RALF SOTSCHECK

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