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Aus taz FUTURZWEI

Cordula Stratmann beantwortet Fragen Was hat Ihr Denken beeinflusst?

Cordula Stratmann, Komikerin und Familientherapeutin, füllt den taz FUTURZWEI-Fragebogen aus.

Cordula Stratmann Foto: Marina Rosa Weigl

Der neue taz FUTURZWEI-Fragebogen (with a little help from Max Frisch, Fischli/Weiss und NYT Book Review).

Wer hat Ihr Denken beeinflusst?

Soll ich die hier alle aufzählen?! Meine sämtlichen Familienmitglieder, weil ich über die immer sehr viel nachgedacht habe. Alle meine FreundInnen, aus demselben Grund. Meine MentorInnen, AusbilderInnen, meine KollegInnen. Leute im Supermarkt, an Ampeln, in Bus und Bahn ... Ständig geben mir andere was zum Denken auf.

Ihre Lieblingsdenkerin, die sonst niemand kennt?

Meine Ärztin. Sie ist Therapeutin und Wissenschaftlerin, ihr Denken löst Grenzen auf.

An welchem gefährlichen Gedanken denken Sie rum?

Inwiefern gefährlich? Staatszersetzend? Shitstormwürdig? Ist es gefährlich, wenn ich denke, dass wir deutschen Menschen zunehmend unsere Selbstverantwortung der Angststeuerung opfern und damit unsere Fähigkeit, zu vertrauen, aufgeben?

Welche Diskussion ist komplett festgefahren?

Mittlerweile nahezu alle Diskussionen, die ich persönlich oder medial miterlebe, weil sie hauptsächlich ein einziges Gefecht verfolgen: Du bist scheiße. – Nein, du bist scheiße.

Welche Position langweilt sie?

Du bist scheiße.

Welche drei Menschen der Zeitgeschichte würden Sie zu einem Abendessen einladen wollen?

Hannah Arendt, Hannah Arendt und Hannah Arendt. Und Roger Willemsen.

Wen finden Sie gut, obwohl Ihre Peergroup ihn oder sie blöd findet?

Hui, was für eine tolle Frage! Das ist die größere Befreiung als der Auszug aus dem Elternhaus! Ich habe mich vor einiger Zeit tatsächlich selbst aus dem Geistes-Knast der Peergroup entlassen und jetzt schaue ich quietschvergnügt den Bergdoktor und höre, ohne es zu verteidigen, James Blunt (nur eine kleine Auswahl schlimmer No Go‘s). Ich kichere dabei vor mich hin und werde augenblicklich ein besserer Mensch.

Welche drei Bücher würden Sie als Deutschlehrer/-in lesen lassen?

Edith Eva Eger: Ich bin hier, und alles ist jetzt

David Foster Wallace: Das hier ist Wasser

Roger Willemsen: Wer wir waren

Welche Künstler/-innen sind auf der Höhe der entscheidenden Fragen?

Hannah Gadsby!

Die überschätzteste Figur der Gegenwart überhaupt.

Arrrrrgh, darauf hätte ich beinahe geantwortet! Und wenn es mich noch so juckt, diesen Mist will ich mir dringend abgewöhnen: dass ich mir hier mal eben ein Urteil erlaube über jemanden, den oder die ich derzeit für überschätzt halte. Mir ist nämlich was aufgefallen: Das ist leider Selbstüberschätzung.

Warum scheuen Linke den Humor?

(... oder muss da stehen, große Teile der Grünen?)Weil moralische Selbstgefälligkeit den Humor in die Flucht treibt, insofern meidet der Humor die Linken (oder muss da stehen, große Teile der Grünen?). Aber letztlich gilt das doch auch wieder für uns alle.

Wissen Sie, was Sie hoffen?

Wie meinen???

Findet Sie das Glück?

Ständig findet es mich! Und dann ist es auch schon wieder weg. Aber man muss nur in Ruhe abwarten ...

Wem wären Sie lieber nie begegnet?

So habe ich noch nie gedacht, ich versuche lieber, selbst aus Dreck noch Gold zu gewinnen.

Wann haben Sie aufgehört zu glauben, dass Sie klüger werden (oder glauben Sie es noch)?

Lustiger Versuch, aber diese Hoffnung lasse ich mir nicht austreiben.

Wenn Sie Macht hätten zu befehlen, was Ihnen heute richtig scheint, würden Sie es befehlen gegen den Widerspruch der Mehrheit? Ja oder nein?

Als Systemikerin glaube ich unbeirrbar an Prozesse und halte mich fern von Diktatur-Träumereien. Also nein.

Wenn Sie und alle, die Sie kennen, tot sind interessiert Sie dann die Weiterexistenz der Menschheit noch?

Wenn ich nicht mehr mitwirken kann, wird es für mich ja ganz neu spannend. Ich habe nur noch keine Ahnung, von wo aus ich das Geschehen weiterverfolgen könnte.

Lernen Sie von einer Liebesbeziehung für die nächste?

Wir lernen doch immer vom einen für das oder den nächsten!

Worum geht es im Leben eigentlich?

Um das Leben.

Gibt es zu viel des Guten?

Was ist das Gute? Und was wäre zu viel davon? Oder zu wenig?

Wie alt möchten Sie werden?

Och, ich schaue einfach von Tag zu Tag.

Es gibt nur Gangster oder Trottel. Was sind Sie dann?

Dann lieber der Trottel, den Stress als Gangsterin stelle ich mir auf Dauer zu humorlos vor.

Cordula Stratmann ist Familientherapeutin, Komikerin und Fernsehschauspielerin. Sie lebt in Köln.

Dieser Beitrag ist im Dezember 2022 in taz FUTURZWEI N°23 erschienen.