Copyright auf Anonymous-Logo: Ziemlich doof – oder brilliant
Eine französische T-Shirt-Firma beantragt das Copyright auf das Anonymous-Logo. Das Kollektiv droht mit Rache und macht so kostenlos Werbung für die Firma.
BERLIN taz | Che Guevaras Gesicht ziert Millionen T-Shirts und WG-Kaffetassen. Alberto Korda, der Fotograf des berühmtesten Bildes des kubanischen Revolutionärs, hatte nie etwas dagegen, dass sein Held so im Gedächtnis der Welt verbleibe. Bis zu seinem Tod klagte er seine Autorenrechte nur einmal ein, weil er Che nicht in einer Wodka-Werbung sehen wollte – und gewann.
Klagen wird Anonymous sicherlich nicht gegen den französischen T-Shirt-Vertrieb, der dieser Tage nach Presseberichten das Copyright auf das Logo und das Motto des Kollektivs angemeldet hat. Aber eine Reaktion ist bereits angekündigt, wie gewohnt mit einem Video, das mit viel Pathos droht, sämtliche Internetaktivitäten der Firma lahmzulegen.
Es stellt sich an dieser Stelle angesichts der immer absurderen Techniken des Guerilla-Marketings die Frage, ob genau diese Reaktion nicht vorhergesehen wurde. Was, wenn der internetbasierte T-Shirt-Vertrieb genau darauf spekuliert hat – eine Werbekampagne, deren Anschubkosten lediglich in der Registrierung einer Marke besteht?
Eine noch bizarrere Option wäre die, dass eine Agentur für die Firma die vermeintliche Anonymous-Reaktion produziert hat. Dann wäre es allerdings spannend zu sehen, wie das Kollektiv auf dieses Doppelspiel reagieren wird. Immer neue Proklamationen, Berichtigungen und Dementis würden mit immer neuen Videos der Öffentlichkeit angeboten, die gar keine Möglichkeit hätte zu entscheiden, welche Verlautbarungen nun vom wirklichen Hacker-Kollektiv kämen.
Empfohlener externer Inhalt
Wie auch immer der Konflikt sich weiter drehen mag, zwei Dinge würden permanent präsent sein: Der Firmenname eines französischen T-Shirt-Vertriebs und ein Logo, auf das dieser die Verwertungsrechte hat.
Ist jener Klamottenhändler also brilliant und kann am Ende nur gewinnen? Vielleicht ist er einfach nur gierig und überschätzt seine Möglichkeiten. In den nächsten Tagen könnten seine Emailkonten und Server mit den Kundendaten gehackt und deren Inhalt öffentlich gemacht werden, die Webpräsenzen könnten lahmgelegt werden und in ein paar Wochen könnte ihn ein Konkurrent weit unter Marktwert aufkaufen.
Das wäre nicht das erste Szenario dieser Art. Die Sicherheitsfirma HBGary Federal, die im Februar diesen Jahres ankündigte, Daten von Anonymous-Mitgliedern zu veröffentlichen, wurde daraufhin vom Kollektiv so gründlich bloßgestellt, dass ihre Trümmer keine zwei Wochen später vom Markt gefegt wurden.
Wie auch immer der Konflikt um das Logo des Hackerkollektivs ausgehen wird, eine kleine Lektion in viralem Marketing kann bis dahin wohl erwartet werden. Außerdem werden wir mehr über die Sicherheit der Server der Firma erfahren. Bis dahin: Popcorn!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld