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Coop beschwichtigt Lieferanten

■ Auch noch keine Mietverträge gekündigt / Bankverhandlungen aber weiter ohne Ergebnis

Frankfurt (dpa) - Beunruhigte Lieferanten und Vermieter, eine gedrückte Stimmung bei den 46.000 coop-Beschäftigten sowie hektische Verhandlungen mit den Gläubigerbanken der coop AG kennzeichneten die Situation einen Tag nach dem Vergleichsantrag des fünftgrößten deutschen Handelskonzerns. Aufgrund der spektakulären Entwicklung waren einige Lieferanten - vor allem von Frischwaren - nur bereit, gegen Bargeld die Regale zu füllen, bestätigte coop-Sprecher Armin Peter in Frankfurt.

Einige Firmen hätten sogar versucht, mit Hinweis auf ihren Eigentumsvorbehalt ihre Waren aus den Läden zurückzuholen. In aller Regel hätten sie aber in Gesprächen beschwichtigt werden können. Auch sei dies juristisch nicht möglich. Mietverträge sind nach Angaben der coop-Zentrale bislang noch nicht gekündigt worden. Zahlreiche Verträge enthalten nämlich eine sogenannte Insolvenzklausel, nach der im Falle des Konkurses oder des Vergleiches sofort gekündigt werden kann. Der Belegschaft wurde zugesichert, daß die Septembergehälter pünktlich ausgezahlt werden. Sie bräuchten sich keine Sorgen um ihre Arbeitsplätze zu machen, weil das Ziel eines Vergleichsverfahrens der Erhalt des Konzerns und der Beschäftigung sei.

Unterdessen liefen auch am Donnerstag die Verhandlungen mit den Gläubigerbanken noch auf vollen Touren. Der Vergleichsantrag war allerdings noch nicht zurückgezogen worden. Diese Möglichkeit hatte der coop -Aufsichtsratsvorsitzende Hans Friderichs in Aussicht gestellt, falls doch noch die Gläubigerbanken auf 1,7 Milliarden DM ihrer Forderungen verzichten.

Nach dem Vergleichsantrag warten die großen Zulieferunternehmen des Handelskonzerns offenbar die weitere Geschäftsentwicklung ab, ohne sofortige einschneidende Konsequenzen zu ziehen. Namentlich wollte sich keines der befragten Großunternehmen der Lebensmittelindustrie im süddeutschen Raum zum weiteren Verhalten äußern. Die Reaktionen waren etwa gleichlautend wie die eines Geschäftsführers eines Milchproduktekonzerns: „Wenn ich sage, ich liefere nichts mehr - heißt es, der hat coop kaputtgemacht. Wenn ich aber weiterliefere, kann ich mein Geld verlieren.“

Als „größten Wirtschaftskandal der Nachkriegszeit“ hat der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Hermann Otto Solms die Entwicklung beim Handelsriesen coop AG bezeichnet. In einem Interview sagte Solms, Aufsichtsratschef Hans Friderichs habe „in kurzer Zeit bewundernswerte Arbeit“ für die Sanierung geleistet. Nun müßten die Banken die notwendigen Finanzmittel zur Verfügung stellen, um die Arbeitsplätze zu retten.

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