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Cooler Jazz, manierierte Ziegen

■ Neu im Kino: „Kansas City“ von Robert Altman / Wunderbar inszenierte Jazz-Sequenzen nebst merkwürdiger Krimi-Story

Der „Hey Hey Club“ ist prallgefüllt mit Spielern, Gangstern und Musikern. Kein Weißer traut sich in diese Kneipe, in der die schwarze Unter- und Halbwelt von Kansas City sich betrinkt, feiert, zockt und Musik hört. In Clubs wie diesem wird im Jahr 1934 Musikgeschichte geschrieben, denn hier messen sich die ersten Stars der noch ganz jungen schwarzen Musik aneinander und kreieren in all dem Biergestank, Radau und Tabakqualm den modernen Jazz. Hier findet ein legendäres Saxophonduell zwischen Lester Young und Coleman Hawkins statt. Ben Webster ist einer der mitimprovisierenden Sekundanten und der junge Charlie Parker sitzt mit seinem Saxophon auf dem Schoß auf dem Balkon und hört hingerissen zu. So zeigt es uns Robert Altman, der all dies als Neunjähriger in seiner Heimatstadt sicher nicht aus erster Hand, aber dennoch sehr eindrücklich miterlebt haben muß. Und so gelingt ihm eine atemberaubende Nachschöpfung dieses Musikerwettstreits, zu der er 21 Jazzstars von heute versammelte, sie in die damals modernen steifen Anzüge steckte, ihnen hippe Hüte aufsetzte und ihre live gespielten Improvisationen fast wie ein Dokumentarfilmer aufnahm. Craig Handy als Hawkins und James Carter als Webster wirbeln sich gegenseitig hinauf in einen Spielrausch, und irgendwie gelingt es Altman, die Dramatik, Vitalität und Schönheit der Jazzsession auf Film zu bannen. Dieses Herzstück von „Kansas City“ gehört zu den besten filmischen Jazzstücken, die je gedreht wurden. Nichts in Eastwoods „Bird“ kann sich daran messen, und nur einige von Dexter Gordon gespielte Saxophonsoli in „Round Midnight“ zeigen so intensiv die Essenz dieser Musik. Von dieser Sequenz sagt Altman selbst, sie sei für ihn der eigentliche Grund gewesen, „Kansas City“ überhaupt zu drehen. Merkwürdigerweise hat sie aber mit dem Rest des Films kaum etwas zu tun. Der Besitzer des Hey Hey Clubs, Seldom Seen (Harry Belafonte) ist eine der Figuren, die in die absurde Entführungsgeschichte verwickelt ist, die Altman hier erzählt. Immer wenn der Regisseur in den Club schneidet, bekommt man für einige Momente etwas von dem Jazz zu hören und zu sehen, der dort die ganze Nacht hindurch gespielt wird. Aber leider muß der Zuschauer auch für lange Zeit Jennifer Jason Leigh (als Gangsterbraut Blondie) und Miranda Richardson (als opiumsüchtige Frau eines US-Senators) ertragen, denen Altman viel zu viel Raum für ihren Wettstreit darum gibt, wer von den beiden die manieriertere Schauspielerin ist. Leigh und Richardson „swingen“ dagegen einfach nicht im richtigen Rhythmus. Altman erzählt mit vielen Nebenplots und Windungen eine fatalistische Story von Wahlbetrug, politischen Intrigen, Gewalt und Rassismus. In Filmen wie „Nashville“ oder „Short Cuts“ gelang es ihm meisterhaft, die vielen Erzählstränge seiner Filme zu einem großen Gesamtbild zusammenzuschneiden. Hier hängt dagegen vieles seltsam unverbunden nebeneinander. Altman wollte den Film so inszenieren, wie die Musiker im Club spielen: „Belafonte ist die Trompete, Jennifer Jason Leigh ist das zärtliche Saxophon, Miranda Richardson die Gitarre. Jeder Schauspieler ist ein Instrument für mich – und was man hört und sieht ist Jazz“, sagte er in einem Interview. Doch leider sind nur Belafontes Soli wirklich inspiriert. In einer Szene erzählt er einen üblen rassistischen Witz, während direkt neben ihm ein Mensch totgeprügelt wird. Und tatsächlich wirkt hier jedes Wort wie spontan improvisiert.

Wilfried Hippen

Im Cinema und im City

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