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ComicsKriegsbilder gegen den Bilderkrieg

Wie vermittelt man die Erfahrung des Kriegs - der im Westen nur auf dem Bildschirm stattfindet? Zwei Comics beschäftigen sich mit Serbien 1999 und Libanon 2006.

"Happy Birthday" von Mazen Kerbaj Bild: zenkerblog

Ein halbes Jahr nach der Bombardierung durch die Nato wurden in Serbien jedem Besucher mit einiger Besessenheit die vielen kleinen Geschichten des Krieges erzählt. Diese Geschichten waren zwar oft überaus tragisch, manchmal auch nur absurd.

Man stelle sich die Situation kurz vor. Jeden Tag fliegen in großer Höhe Nato-Bomber über einen hinweg und man hört mal ferner, mal näher die Einschläge. Allein die Geräuschkulisse ist nervenzerreißend - viele Menschen haben in jener Zeit Tics entwickelt. In manchen Nächten kann man die Detonationen sogar beobachten. Eine ältere Dame erzählte von jener Nacht, als die chinesische Botschaft in Neu-Belgrad getroffen wurde, damals sei sie sich vorgekommen wie in einem Computerspiel. Zwar weiß man, dass westliche Armeen sich den "sauberen" Krieg auf die Fahnen geschrieben haben und dass Zivilisten sich einigermaßen einigermaßen sicher fühlen dürfen. Gefährlich aber bleibt es, niemand will ein "Kollateralschaden" werden. Die meisten Leute gehen zunächst weiter zur Arbeit, aber spätestens mit den Stromausfällen lässt sich die "Normalität" kaum noch aufrechterhalten. Das Leben wird zu einem Herumhängen, einem Warten darauf, dass es aufhört.

So war das 1999 in Serbien. Die Einwohner von Beirut haben diese Erfahrung erst vor einem Jahr machen müssen. Es handelt sich dabei um eine neue Erfahrung mit einem Krieg, weit entfernt auch von den Flächenbombardements im Zweiten Weltkrieg. Die Frage ist: Wie vermittelt man diese Erfahrung - vor allem an Leute im Westen, für die der Krieg eigentlich nur noch am Bildschirm stattfindet?

Gerade sind zwei Bücher mit Comics im weitesten Sinne erschienen, die dies versuchen, eines über Serbien, eines über den Libanon. Aleksandar Zograf, mit bürgerlichem Namen Saða Rakezic, und Mazen Kerbaj haben beide während der jeweiligen Bombardierungen im Web über den Krieg berichtet - der eine via E-Mail, der andere per Blog. Kerbajs Seite lässt sich noch ansehen. Sein nun in Frankreich beim Verlag LAssociation veröffentlichtes Buch "Beyrouth: juillet-août 2006" ist eine kompakte Zusammenfassung seiner Zeichnungen aus jener Zeit. Der gleiche Verlag wird demnächst auch Aleksandar Zografs jüngste, erstmals auf Serbisch in der Zeitschrift Vreme publizierten Comics herausbringen. Jetzt erhältlich sind bei dem US-Verlag Top Shelf Productions "Regards from Serbia", seine englischsprachigen Arbeiten aus den Neunzigerjahren erschienen. Darin befinden sich "Life under Sanctions", die Kriegs-Mails und die während der Bombardierung begonnene Reihe "Regards from Serbia".

Auf den ersten Blick könnten diese beiden Bücher unterschiedlicher kaum sein. Zograf ist ein durchaus klassischer Comic-Geschichtenerzähler in der Tradition des US-Undergrounds. Zograf sieht sich als kauzigen Cartoonisten, der aus seinem Leben berichtet und eine Art "psychologisches Tagebuch" führt. In einem anderen Land hätten seine Geschichten möglicherweise von seinem Träumen gehandelt - für Träume interessiert er sich sehr. Doch die Bedingungen in Serbien waren eben andere. Kerbaj wiederum ist in erster Linie Musiker, er gehört zur kleinen Beiruter Free-Jazz-Szene. Gleich zu Beginn des Krieges erregte er Aufsehen damit, dass er den Titel "Starry Night" aufnahm. In dem Stück gab es zwei "Musiker": Mazen Kerbaj, Trompete; Armee des Staates Israel, Bomben.

Seine Zeichnungen sind nicht aus einzelnen Bildern zusammengesetzte Storys, sondern kleine Erzählungen in einem einzigen Bild. Stets haben diese Bilder etwas Plakatives - da demonstriert jemand gegen den Krieg. Der Stil ist uneinheitlich: Mal erinnern die Zeichnungen an Picassos Arbeiten, mal sehen sie schlicht aus wie Krakeleien.

Bei näherem Hinsehen haben Zograf und Kerbaj jedoch vieles gemein. Zunächst die Position, aus der sie sprechen. Es ist ein extrem unheldenhaftes und oft ohnmächtiges Ich, das sich hier äußert. Beide haben jeweils ein Bild gezeichnet, in dem sie zwischen den Protagonisten des Krieges zerdrückt werden. Kerbaj sieht sich in den miteinander verwobenen Mündern zweier Männer stecken, von denen einer "Allahu Akbar" und der andere "Freedom & Democracy" schreit, während er selbst meint: "Can I say something?". Zograf zeichnet sich als bibbernde Gestalt in der Mitte eines Bildes. Von oben werfen Nato-Flugzeuge Bomben ab ("Get a load of this, you no-good"). Von rechts greifen Schattenmänner mit einer albanischen, von links mit einer serbischen Fahne an. Die einen wollen den Unterdrücker erschießen, die anderen den Verräter fassen: "But but What have I done?".

Gerade jene Position des "normalen Typs", der sich mit einem Krieg konfrontiert sieht, den er nicht verursacht hat, lässt die Absurdität und den Schrecken erlebbar werden. Zwar arbeiten beide mit viel Text, doch es ist gerade die Unmittelbarkeit und Evidenz der Bilder, die das Leben unter den Bomben so nahe bringen. Keine Beschreibung könnte so berühren wie die Zahnbürste, die Kaffeetasse, die Toilette und andere Alltagsgegenstände, die Kerbaj zeigt: "Das Leben geht weiter." Oder das nur mit wenigen Strichen angedeutete Regal, in dem eine Flasche Reinigungsmittel und eine Thunfischdose stehen: "Supermarkt Blues". Oder schließlich sein Selbstporträt, das ihn im Status fortgesetzter Dekomposition zeigt: "Ich habe begonnen, mich zu verändern". Ganz ähnlich gezeichnete Menschen finden sich auch bei Zograf - in seinen Zeichnungen lachen nur die "smarten" Bomben, die auf seine Heimatstadt Pancevo bei Belgrad niederfallen.

Zweifellos sind Zograf und Kerbaj Teil einer Bewegung innerhalb des Genres: Von Joe Sacco bis hin zu David B haben viele Zeichner in den letzten Jahren entdeckt, dass der Comic eine erstaunliche akkurate Möglichkeit bietet, um über ernste Themen wie Krieg oder Krankheit aus einer individuellen Perspektive zu berichten - man wird zum zeichnenden Reporter im eigenen Leben. Und in dem Moment, wo der Krieg, wie es in einer oft wiederholten Phrase heißt, auch ein Krieg der Bilder ist, da sind Bilder wie jene von Zograf und Kerbaj eben eine überzeugende Antwort auf den "neuen" Krieg.

Aleksandar Zograf: "Regards From Serbia". Top Shelf Productions, 288 S., 14,40 Euro Mazen Kerbaj: "Beyrouth: juillet-août 2006". LAssociation, 150 S., 25 Euro

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