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Codename von Barack ObamaMr. President Renegade

Beim Secret Service heißt der künftige Präsident nicht "Barack Obama" sondern "Renegade". Irgendwo im Innern der Geheimdienstbehörde muss ein poetisches und satirisches Herz schlagen.

Rennen mit Renegade. Bild: ap

US-Präsidenten und ihre Familien werden vom Secret Service beschützt. Das ist schon seit hundert Jahren so, seit Präsident William McKinley 1901 einem Attentat zum Opfer fiel. In Zeiten unsicherer Walkie-Talkie-Kommunikation verfiel man darauf, Codenamen für die Schutzbefohlenen zu verwenden, um potentiell mithörende Angreifer zu verwirren - ganz so, wie bei den guten alten Räuber-und-Gendarm-Spielen aus den Kindertagen.

Welche Abteilung bei den Geheimdienstlern für die Namensvergabe zuständig ist, ist nicht bekannt. Aber sie hat ein Talent für Poesie und Süffisanz: Reagan lief unter "Rawhide" (rohes Leder), Clinton war der kühne "Eagle", Bush wurde als "Tumbler" - als Stehaufmännchen - addressiert, seine Frau Laura Bush war "Tempo".

Da der Secret Service während des Wahlkampfs auch zum Schutz der Kandiaten abgestellt wird, haben sowohl John McCain als auch Sarah Palin ihren Spitznamen abbekommen: McCain war der "Phoenix", der Vogel, der nach Selbstverbrennung aus seiner eigenen Asche wiederaufersteht. Die Gouverneurin von Alaska firmierte unter "Denali". Denali? Das ist der Name eines Nationalparks in Alaska sowie der Name eines Gaspipeline-Projektes dort. Sollte Palin also McCain den Brennstoff liefern, an dem er sich entzündet, vergeht und wieder neu geboren wird?

Der künftige Präsidenten Barack Obama wurde von seinen Beschützern auf den Namen "Renegade" getauft - der Abtrünnige, der Deserteur. Nicht wirklich schmeichelhaft. Allerdings hat der Name in einer Nation, die auf Frontier-Tugenden wie Individualismus und Durchsetzungskraft stolz ist, auch den Appeal des Abenteurertums.

Stark ins Ästhetisierende schwappt es dann bei der Restfamilie. Obamas Frau Michelle, die künftige First Lady, wird "Renaissance", die Töchter Malia und Sasha heißen "Radiance" und "Rosebud". Immer der gleiche Anfangsbuchstabe - in der Rhetorik heißt das Verfahren "Alliteration".

Nicht bekannt ist, ob der Secret Service - selbst eine alliterative Institution - so konsequent ist, sämtliche Kommunikation auf dem "R" aufzubauen: "Renegade rast rüber." "Renaissance ruht." "Rosebud rettet Rüden."

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3 Kommentare

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  • MW
    Mike Werner

    @Nusrit Sahin:

    Schöner Kommentar - Quelle?

     

    Aber die "Rassenproblematik" der (gestrigen) US of A sind aber m.E. kaum auf Deutschland zu projizieren, da keine Bevölkerungsgruppe zur Unterdrückung in dieses Land importiert wurde...

    Viel eher wäre doch die Frage passender, wann es eine(n) Bundeskanzler(in) mit Migrationshintergund gebe.

    Ach ja, Frau Merkel kommt doch aus dem Osten, haha.

  • NS
    Nusret Sahin

    Die Deutschen und Obama in den USA

    Süleyman Deveci

    11.11.2008

    Ob es nur die Deutschen sind oder wir alle insgesamt, alle Menschen, egal welcher Nationalität, Hautfarbe, Glaubensrichtung oder Sprache, mögen generell keine Kritik. Am liebsten ist uns das Loben, das übertriebene Verschönern, oder das Sympathieheucheln. Dies ist uns für gewöhnlich weitaus angenehmer als uns irgendeine Gegenmeinung anzuhören. Hat das etwa mit dem menschlichen Ego zu tun? In anderen, fremden Kulturen gibt es sogar Sprichwörter, sinngemäß soviel wie: Ein echter Freund spricht bitter, aber er sagt wenigstens die Wahrheit. Freunde sagen also die Wahrheit, ob es uns gefällt oder nicht.

     

    Endlich ist der Spuk vorbei. Die Amerikaner haben einen Nichtweißen zum Präsidenten gewählt. Die ganze Welt schaut dorthin, als ob dort eine Revolution geschehen ist, und das, was dort geschehen ist, darf teilweise sicherlich auch so interpretiert werden. Von jeder kleinen kurdischen Partei bis hin zu extremistischen Islamisten freuen sich jetzt alle darüber, dass bald ein „Anderer“ Präsident wird.

     

    Von diesem Wahn sind auch die Deutschen nicht verschont. Auch die Medien, von links bis rechts erzählen uns jetzt alle politischen Farben im Lande, wie schön die Wahl gelaufen ist. Was für eine Aufregung, es sei die Wahl des Jahrhunderts und so weiter. Aber es ist wieder einmal keine vernünftige Stimme zu hören, in etwa zu dem Thema: Was ist mit Deutschland? Wann wird endlich Deutschlands Obama auf diesem Boden auftreten dürfen? Besteht überhaupt die Möglichkeit, dass ein Fremder, ein Farbiger, ein Dunkelhäutiger, jemals zum Bundespräsidenten wird. Es geht ja noch nicht einmal, dass so jemand zum Beispiel Staatsanwalt, Minister, Schulleiter, Präsident der Ärztekammer, Richter, Bank oder Universitätsrektor wird. Die Wunschliste könnte man noch beliebig weiter verlängern.

     

    Warum fragt kein Kritiker, wann Deutschland seinen Obama bekommen kann? Offenbar macht das Fernsehen diese Menschen dumm, bestätigte ein Kritiker. Daher wagt niemand eine Vorhersage. Die Frage läge doch so nahe. Doch wann könnte es soweit sein? Nach 100 Jahren? Nach 500 Jahren? Nach dem Aussterben der deutschen Rasse, also in ungefähr 12 Generationen? Woran sollen wir glauben, etwa an Frau Merkel? Sogar sie redet schon von irgendeiner märchenhaften Partizipation der Ausländer, aber vorsichtigerweise nicht von „Gleichheit“.

     

    Sicher ist es eine Vision und Visionäre seien kranke Menschen, heißt es. Wie kann man aber in Deutschland als Ausländer leben und gesund sein, egal aus welcher Ecke der Welt man in dieses Land kam? Egal welche Gründe uns dazu brachten, uns hierher zu schleppen? Ob das freiwillig oder durch Zwang geschah?

     

    Aber die Geschichte läuft auch gegen die so genannten „Deutschen“, die die heutige moderne Welt nicht sehen und verstehen wollen. Zumindest ist in Hamburg jedes zweite Kind heute schon ein Ausländer. Diese Kinder, die hier aufwachsen, und die eigentlich nur Deutsche sind, werden eines Tages Erwachsene sein. Sie sehen die Welt als viel kleiner und globaler an als die heutigen Politiker, die Medien, die Macher in Kultur und Wirtschaft. Wenn auch die Gesetze sich nicht ändern lassen, der menschliche Verstand und das Herz kennen keine Grenzen und Gesetze.

     

    Obama und die Amerikaner, ob gewollt oder ungewollt, bewusst oder unbewusst, inspirieren schon die ganze Welt. Mehrere Generationen werden davon betroffen werden. Es wird auch eine Zeit in Deutschland kommen, wenn im Osten dieses Landes Schwarze nicht mehr getötet werden oder andere Menschen wegen ihrer Hautfarbe nicht mehr um ihr Leben bangen müssen. Deutschland wird das Hauptzentrum der Muslime nach Mekka sein. Behörden, Medien, alle gesellschaftlichen Strukturen würden dann Ausländer nicht mehr als Migranten oder Nichtdeutsche, sondern als ganz normale Menschen zu behandeln lernen. Auch im Westen wird das Leben angenehmer und viel humaner aufblühen.

     

    Das Rad der Geschichte dreht sich ununterbrochen. Wird Deutschland eines Tages seinen Obama haben? Egal mit welchem Ausländer ich darüber gesprochen habe, sie lachen mich alle aus. Es sei hoffnungslos, unmöglich, ein Traum, es wäre einen Grund für einen Bürgerkrieg, und so weiter. Ja, ich bin ein Optimist. Egal, ob ich selbst noch lange genug leben werde, um es zu erleben oder nicht: Eines Tages wird es auch in Deutschland einen Obama geben.

  • T
    trainstop

    Nun wurde bekannt?

     

    Das Obama unter Renegade läuft ist schon "etwas" länger bekannt. Genauer gesagt knapp 1 Jahr.

     

    Anm. d. Red.:

    Danke für den Hinweis, Fehler wird behoben.