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Archiv-Artikel

spitzenspiele Coaching Angie

Confed Cup, Mexiko gegen Brasilien in Hannover: Irgendwann zwischen dem Dank der FIFA an mich fürs Nichtrauchen (da war ich nämlich die Einzige) und der Mitteilung, dass ein Mineralwasser die Münze für die Seitenwahl ausgesucht hat, wurde auf der Videoleinwand im Stadion ein gut gelaunter, hemdsärmeliger Gerhard Schröder eingeblendet, der neben einer der zahlreichen Beckenbauer-Versionen stand, die derzeit über Deutschland im Heli unterwegs sind.

Der Confed Cup ist die Generalprobe des WM-Schauspiels und derzeit glauben wir alle, dass bei der Premiere jemand anderes die Rolle des Kanzlers neben Beckenbauer spielen wird. Und ebenso sicher glauben wir, dass dies Angela Merkel sein wird. Aber – so fragte ich mich in diesem Moment – kann die eigentlich ihren Text? Passt ihr das Kostüm? Und kennt sie das Stück überhaupt? Klare Sache, Angela braucht eine Souffleuse, eine Kostümbildnerin, eine Requisiteuse, eine Dramaturgin. Sie braucht einen Personal-Trainer, eine Fußball-Beraterin. Sie braucht mich! Da ich besserwisserisch bin und den Menschen gerne sage, was sie tun sollen, habe ich schon immer gedacht, dass die Beraterfunktion mir entgegenkommen würde.

Allerdings – dieser Gedanke kam mir etwa bei der dritten Wiederholung des Elfmeters für Mexiko – ist es keine wirklich einfache Aufgabe, Angie fit für die WM zu machen. Vor allem deshalb, weil die Leute, die diesen Job bisher hatten, ihn gründlich an die Wand gefahren haben. Vor Jahren schon hätte man zielgerichtet Bilder der jungen Merkel streuen müssen, die mit fliegenden Zöpfen auf einer ostdeutschen Wiese gegen den Ball tritt. So was lässt sich heutzutage an jedem Heimcomputer problemlos herstellen, oder haben Sie die Geschichte von Gerd „Acker“ Schröder wirklich geglaubt? Merkel hätte spätestens vor einem Jahr mit leuchtenden Augen vom Sparwasser- Tor sprechen und mit demselben Leuchten die Aufstellung der bundesdeutschen WM-Elf von 1974 herunterrattern müssen.

Bei großen Parteitagsveranstaltungen hätte ein Vertrauter ihr auffällig-unauffällig einen Zettel mit dem aktuellen Ergebnis einer wichtigen Bundesligapartie oder Länderspielbegegnung reichen müssen (ein Kniff, der von den Fußball-Beratern des Papstes, der vor uns Papst war, stammt). Sie hätte schon frühzeitig Vertraute um sich scharen können, die ihre Fußballbegeisterung teilen. Ach, es gibt unendliche Möglichkeiten, aber was ist diesen Dilettanten eingefallen? Ein schwuler Vizekanzlerkandidat und eine halbgare Liebe zu Hansa Rostock, ein Verein, dessen positive Schlagzeile im vergangenen Jahr in der Verpflichtung eines finnischen Altstars bestand!

Während das Spiel vor mir weiterläuft und die Mexikaner in Führung gehen, entwerfe ich im Geiste schon fieberhaft Zeitpläne und Power-Point-Präsentationen. Dann setze ich den Mann neben mir über die goldene Zukunft, die uns bevorsteht, in Kenntnis. Und werde, ganz wie Ronaldinho, dem die Mexikaner Ball um Ball vom Fuß spitzeln, auf den Boden der Tatsachen geholt: „Nette Idee, aber das wird nicht funktionieren.“ „Warum denn nicht? Meinst du, man müsste noch Berti Vogts …?“ Freundlich, aber bestimmt weist mein Begleiter mich auf den Haken an der Sache hin: Angela Merkel ist eine Frau.

Nicole Selmer