Club muss wegen Lärm schließen: Noch ein Icon der Gentrifizierung
Der Keller-Club Icon in Prenzlauer Berg muss schließen, weil die Gäste Bewohner eines Neubaus stören. Damit steht der Drum-and-Bass-Club nach 14 Jahren vor dem Aus.
Das Icon in Prenzlauer Berg ist das jüngste Opfer der Gentrifizierungswelle. Zum Jahresende muss der Club seine Pforten in der Cantianstraße schließen. Das Bezirksamt Pankow hat dem Icon nach Angaben der Betreiber die Konzession entzogen. Zu Begründung hieß es, lärmende Warteschlangen vor dem Club könnten die Gesundheit von Anwohnern gefährden. Damit reiht sich das Icon als Dritter in die Riege der Clubs ein, die mit neuen Nachbarn zu kämpfen haben. Der Knaack Club und das SO36 in Kreuzberg hatten zuletzt ähnliche Probleme.
Das Icon ist seit 1996 eine Bastion für Drum-and-Bass-Kultur. Pioniere der Breakbeatmusik wie Goldie und Doc Scott haben dort aufgelegt. Und auch für die Berliner Szene ist der Club die Institution schlechthin. Von Anfang an war das Icon auch der Heimathafen für das englische Label Ninja Tune. Coldcut und DJ Vadim haben immer wieder in dem Kellergewölbe der ehemaligen Bötzow-Brauerei gespielt.
Nun schreibt das Bezirksamt, dass die Gegebenheiten, die zur Erteilung der Konzession geführt haben, nicht mehr existieren. Ursprünglich war die nächste Wohneinheit zwanzig Meter vom Icon entfernt. Inzwischen wurde über dem Eingang ein Neubau mit Wohnungen errichtet, die Anfang des Jahres bezogen wurden. Anders als etwa beim Knaack gibt es kein Problem mit Lärm aus dem Club. Denn der Vermieter hatte eigens ein separates Fundament im Eingangsbereich verlegt, um Schallübertragungen zu verhindern. Auch der Club ist isoliert.
Allerdings habe sich einer der neuen Anwohner über Besucher beschwert, die sich vor dem Eingang aufhielten, berichtet Pamela Schobeß, die das Icon gemeinsam mit Lars Döring seit 1996 betreibt. Der Nachbar, ein Anwalt, habe mit einer einstweiligen Verfügung gedroht. Hätte er diese erwirkt, hätte das Icon sofort schließen müssen. Auf Nachfrage der taz bestreitet der Anwohner, Beschwerde geführt zu haben und droht prophylaktisch mit der Staatsanwaltschaft. Vom Bezirksamt war am Freitag keine Stellungsnahme mehr zu erhalten. Die zuständigen Stadträte sind derzeit in Urlaub.
Für die Clubbetreiber ist der Schließungstermin Ende des Jahres ein Kompromiss, den man dem Amt abringen konnte. Hätten sie nicht den Konzessionsentzug akzeptiert, wäre der Betrieb bereits im August oder September eingestellt wurden, alle Bookings hätten abgesagt werden müssen. "Finanziell ist das ein Desaster", sagt Schobeß. "Das ist eine Katastrophe, aber wir haben mit der Gnadenfrist das Beste rausgeholt. Wo wir weitermachen, wissen wir noch nicht."
Auch für den Knaack Club, der den Rechtsweg gegangen ist und nach einem Erfolg in erster Instanz in der zweiten scheiterte, gestaltet sich die Suche nach einer neuen Location schwer. Sollten der älteste Ostberliner Club und das Icon aus Prenzlauer Berg weichen, bliebe dem ehemaligen Szenekiez nur noch die Kulturbrauerei als relevanter Veranstaltungsort. JAN KAGE
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss