Clemens Schick spielt in Afghanistan: Der Truppenunterhalter
James-Bond-Bösewicht Clemens Schick spielt vor deutschen Soldaten in Afghanistan Theater. Die Doku vermittelt ein gefühlt realeres Bild, als ein "Tagesschau"-Beitrag.
Der Tod ist von Anfang an dabei. Mit der Angst vor ihm beginnt der Film, sie liegt in den Gesichtern, sie zittert aus dem Off. Die Gegenwart der Gefahr ist es, was "Der Truppenunterhalter - Clemens Schick in Afghanistan" so sehenswert macht.
An drei Abenden trat der Schauspieler mit seinem Solostück "Windows - Oder: Müssen wir uns Bill Gates als einen glücklichen Menschen vorstellen?" auf, in Kabul, Kundus und Masar-i-Scharif, in Aufenthaltsräumen von Militärcamps, vor deutschen Soldaten in Flecktarn. Er habe ordentlich Angst gehabt, sagt Schick im Film und im Gespräch: "Man spürt den Tod." Die Angst macht den Krieg real. Mit dem Gefühl für die Gefahr beginnt die Auseinandersetzung.
Vergangenen August las Schick im Zug einen Artikel über Soldaten, die aus Afghanistan zurückkommen und nicht zurückfinden in eine Gesellschaft, die kaum etwas weiß über ihren Einsatz dort. Am Ende der Zugfahrt hatte der 36-Jährige den Entschluss gefasst, dort Theater zu spielen. Sechs Wochen später flog er mit zwei Freunden auf Einladung der Bundeswehr nach Kabul. Einer der Freunde ist Fotograf, der andere wurde in den Umgang mit einer Filmkamera eingewiesen. Diese Aufnahmen kombinierte der Filmemacher Jobst Knigge mit Szenen von Schicks Stück aus den Berliner Sophiensælen. Der Film zeigt Schick im Bundeswehrflieger, im Camp, mit Schutzweste und Helm, bei der Vorbereitung auf den Auftritt und auf der Bühne in Afghanistan und Berlin. In die Kamera und aus dem Off spricht er darüber, wie er all das wahrnimmt. Es ist der Versuch einer Auseinandersetzung. "Ich habe die Regierung mitgewählt, die diesen Einsatz zu verantworten hat, wie kann ich mich also dazu verhalten?", sagt Schick.
Auch wenn die Soldaten vielleicht etwas anderes erwartet hätten als ein bissiges, nicht leicht konsumierbares Stück, sie hätten es sehr positiv aufgenommen, sagt Schick. Im Film sieht man, wie dankbar sie jeden Bezug auf ihren Einsatz mit Lachen aufnehmen. Manche von ihnen kannten Schick aus dem Bond-Film "Casino Royale".
Es ist sicherlich ein Schwachpunkt des Films, dass die Soldaten aber nicht zu Wort kommen. Schick und seine Freunde hätten erst später daran gedacht, sie auch zu filmen. Aber es gab viele Gespräche, sagt Schick. "Viele wissen nicht, warum sie da sind. Sie spüren die fehlende Auseinandersetzung mit ihrem Einsatz." Die Soldaten seien sehr froh gewesen, dass da mal jemand zu Besuch kam, der weder Journalist ist noch Politiker.
Trotz filmischer Schwächen vermittelt die Dokumentation ein gefühlt realeres Bild, als ein Beitrag in der "Tagesschau" es vermag. An einem kulturlosen Ort wie einem Militärcamp Theater zu machen, ist eine besondere Form der Truppenbetreuung: Indem Schick die Aufmerksamkeit auf die Soldaten lenkt und zur Auseinandersetzung mit ihnen aufruft, tut er im besten Sinne das, was Theater - und gutes Fernsehen - leisten können, ja sollen. "Nur wenn man sich Krieg und die Bedrohung bewusst macht, wird es real", sagt Schick. Dafür müssten nun nicht 80 Millionen hinfahren und sich das ansehen, aber gerade Kulturschaffende sollten hinsehen. Zwar glaubt Schick nun nicht, eine breite Debatte anzustoßen, aber "vielleicht passiert ein Millimeter mehr".
Ob der Einsatz dort gerechtfertigt ist oder nicht, da sei es ihm gerade unmöglich, eine Entscheidung zu treffen, sagt Schick. Es gebe genauso viele Gründe für einen Abzug wie dagegen. "Ich habe die Befürchtung, dass alles, was man sich vorgenommen hat, sich bis jetzt nicht zum Positiven geändert hat oder teilweise sogar schlimmer wird", sagt er. Andererseits könne man die Afghanen nicht alleine lassen. Vielleicht ist gar nicht die Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Einsatzes entscheidend, sondern die Frage überhaupt zu stellen.
Hat es sich gelohnt, sich dieser Gefahr auszusetzen? Im Film sagt Schick dazu: "Das Risiko einzugehen, ist es wert. Wenn mir etwas passiert wäre, dann wäre es das nicht wert gewesen." Dasselbe gilt wohl für die Soldaten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Paragraf 218 im Rechtsausschuss
CDU gegen Selbstbestimmung von Frauen
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
FDP stellt Wahlkampf Kampagne vor
Lindner ist das Gesicht des fulminanten Scheiterns
Wahlkampf-Kampagne der FDP
Liberale sind nicht zu bremsen
Sednaya Gefängnis in Syrien
Sednaya, Syriens schlimmste Folterstätte
Syrische Geflüchtete in Deutschland
Asylrecht und Ordnungsrufe