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Claudius Prößer ist froh, dass der Takeaway-Müll wieder nachlässtGoodbye, soßentriefende Aludeckel

Auf dem Gipfel der ersten Coronawelle – gefühlt vor vielen Jahren, bei nüchterner Betrachtung des Kalenders vor ein paar Wochen – war die Stadt merkwürdig sauber. Ach was, nicht nur sauber, sondern rein: Niemand verplemperte seine kostbare Zeit mit Biertrinken auf der Straße, kein Tourist hinterließ seinen Mageninhalt an der Hauswand, selbst der Krempel, den alle nach dem obligatorischen Pandemie-Putz vor die Haustür stellten, verschwand wie von Geisterhand, ohne vorher zu zerfallen oder aufzuquellen (was vielleicht auch daran lag, dass es im April einfach nicht regnen wollte).

Dann kam der Frühling mit Macht. Gleichzeitig hatten viele der zwangsgeschlossenen Restaurants zum Strohhalm des Takeaway-Service gegriffen, zwei Tische vor den Eingang gerückt und darauf ein Set Speisekarten nebst Desinfektionsspender platziert. Eine fatale Kombination, die in der vergangenen Woche eine fulminante Mülllawine auf vielen Plätzen erzeugte: allüberall aufgeschäumte Boxen, soßentriefende Aludeckel, zerbrochenes Plastikbesteck und Tüten, die wüstengestrüppmäßig im Wind trieben.

Oder, wie es die Berliner Stadtreinigung (BSR) auf taz-Nachfrage ausdrückte: „Es kam in einigen Schwerpunktgebieten zu einem massiven Anstieg an sperrigen Einwegverpackungen, z. B. durch Pizzakartons und Styroporschachteln. Diese To-go-Verpackungen verstopften teilweise unsere Straßenpapierkörbe, wurden manchmal auch unter den Papierkörben abgelegt und mitunter sogar achtlos weggeworfen.“

Zum Glück, so BSR-Sprecher Sebastian Harnisch, habe sein Unternehmen trotz Coronavrius derzeit keine personellen Engpässe zu verzeichnen: „Darum können wir auch während der Pandemie die Sauberkeit der Straßen im erforderlichen Umfang sicherstellen und unsere Straßenpapierkörbe regelmäßig leeren.“ Der normale und „bedarfsgerechte“ Leerungsrhythmus reiche von „einmal wöchentlich bis mehrfach täglich“, allerdings ließen sich „kurzfristige Verlagerungen von Reinigungsschwerpunkten in das Umfeld einiger Gastronomiebetriebe nur schwer vorhersagen“.

Verdichten und entsorgen

Wo der Verzicht auf Einwegverpackungen aus Infektionsschutzgründen nicht machbar sei, so der BSR-Sprecher, sollten diese nach dem Verzehr „verdichtet und nach Möglichkeit zu Hause in die entsprechenden Abfalltonnen geworfen werden“. Teilweise sei es „sicher auch möglich, die Verpackungen bei den jeweiligen Gastronomiebetrieben zu entsorgen“. Jede Wette, dass beides exakt niemand getan hat.

Zum Glück hat sich das Problem schon wieder erledigt, bevor es sich so richtig auswachsen konnte: Mit der Öffnung der Gastronomiebetriebe können wir wieder ganz anständig von Porzellan speisen und uns aus echten Gläsern betrinken. Das ist im Übrigen nicht nur für die Umwelt besser: Nach dem zweiten oder dritten Mal To-go-Mahl nervt der Müllwust gehörig, und, ganz ehrlich, so richtig schmecken tut's auch nicht, jedenfalls nicht dem Auge – und das isst bekanntlich mit.

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