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Christoph Raffelt MundwerkHolzapfel und Eichenlaub zum Weihnachtsmenü

Am Anfang stand bei Jörg Geiger die Champagnerbratbirne. Diese Sorte ist so alt wie der Name ungewöhnlich. Sie stammt wohl aus dem Württembergischen und hat sich als Zufallskreuzung im Obstgarten entwickelt. In der Baumschule des Herzogs Carl Eugen wurde sie im 18. Jahrhundert vermehrt und setzte sich im Schwäbischen wie im Württembergischen durch. Sie gehört allerdings zu den dutzenden, ja hunderten Obstsorten, die im Zuge der landwirtschaftlichen Veränderungen dem Zeitgeist und dem wirtschaftlichen Interesse geopfert wurden und heute nur noch selten vorkommen.

Für Jörg Geiger jedoch war sie ein Geschenk. Denn die Birne, die sich als Tafelobst nur bedingt eignet, hat als Saft ein hervorragendes und komplexes Aroma. Warum also nicht das daraus machen, was sich schon des Namens wegen anbietet? Einen Schaumwein in klassischer Gärung, lange gereift und in der Perlage einem Champagner nicht unähnlich. Mit diesem Schaumwein ist Geiger bekannt geworden. Was er darüber hinaus noch im Gepäck hat, ist jedoch mindestens ebenso interessant.

Denn Geiger hat sich alkoholfreien Schaumweinen verschreiben, nicht dem üblichen süßen Stoff, der mehr schlecht als recht dem Sektersatz dient, sondern Kreationen, die ganze Menüs begleiten können. In der Cuvée No. 8 zum Beispiel trifft unreif gekelterter Apfel auf Stachelbeere und Douglasienspitze. In der Cuvée No. 15 sind es Mostbirne, Apfel und Kaffee, und in Cuvée No. 13 sind es Rote Bete, Lemberger und Zweigelt. All die genannten Cuvées findet man bei ihm das ganze Jahr über. Viele aber kann er nur saisonal herstellen, zum Beispiel die Cuvée mit Mirabelle und Zitronenverbene, abgerundet mit einem Hauch Estragon und Rosmarin. Geigers sogenannter PriSecco ist ein Geschmackswunder, das ganz ohne Alkohol auskommt und doch komplex sein kann.

Ganz nebenbei hat Geiger für seinen Bedarf das Thema Streuobstwiese wieder auf die politische Agenda gebracht. Was er macht, ist aktiver Umwelt- und Vogelschutz; denn Geiger nutzt nicht kultiviertes Tafelobst, sondern Obst von Streuobstwiesen der Schwäbischen Alb. Was beim Wein ein Qualitätsmerkmal ist, gilt hier auch: Die bis zu 100 Jahre alten Bäume liefern zwar wenig, dafür aber geschmacklich umso intensivere Früchte. Für Geiger sind Schutz und Ertrag zwei Seiten derselben Medaille.

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