■ Christo verhüllt: Silberschatz und Sicherheitsrisiken
Wo ist das wallende Silber, der Stoff, aus dem die Träume sind? Langsam enthüllt sich das Rätsel, der Kreis um den versteckten Lagerraum wird kleiner. Die Stadt wartet gespannt.
Nur soviel wird von den paar Wissenden um den Reichstag herum verraten: Im Innenhof des Parlamentsgebäudes kommt das wertvolle Gewebe erst am Freitag an. Mehr darf die Öffentlichkeit aus Sicherheitsgründen nicht erfahren. Öko-Terroristen oder Kunsthasser könnten versuchen, das kostbare und einmalige Material zu beschädigen, und ein Jahrhundertprojekt wäre mit einer Handlung zerstört. Zwar herrscht für die „Christo-family“, wie die Mitarbeiter der „Verhüllter Reichstag GmbH“ sich nennen, Schweigestufe eins, nichts darf aus dem Planungslager nach außen dringen. Aber ein paar Kollegen erzählen trotzdem.
Erst verrät ein Kletterer am Reichstag ein Geheimnis: Acht Lastwagen seien nötig, um die Paneele zu transportieren. Auf einem Reichstagsgrundriß ist in vier Farben genau eingezeichnet, wo die Stoffbahnen abgeladen werden. Die Farben stehen für die vier Kräne, die das Material auf das Dach heben werden.
Auch Kathrin Specker, Pressesprecherin der Wissenden, vergißt sich für einen Moment: „In Nordrhein-Westfalen, in Emsdetten, wo der Stoff hergestellt ist, da liegt er bestimmt nicht mehr.“ Soviel zumindest verrät sie: „Um diese Menge zu lagern, ist ein Raum von der Größe einer Turnhalle nötig.“
Wenn das Silbergewebe nicht mehr in Nordrhein-Westfalen ist und so knapp vor dem Showdown am Samstag morgen, nämlich am Freitag abend, in der Stadtmitte ankommen soll, muß der Verhüllungstüll in der unmittelbaren Nähe des Objekts sein. Insider raunen, das Silber, das eigentlich Gold wert ist, läge im Nordosten Berlins.
Ein weiteres Rätsel beschäftigt die Hauptstadt: Heute soll der große Meister mit dem zu großen Kassengestell nach Deutschland kommen. Aber wann und wo er landet, und wohin er nach seiner Landung fährt, wissen nicht einmal engste Mitarbeiter. „Wir haben auch Angst vor Anschlägen auf IHN“, sagt Kathrin Specker. Wahrscheinlich fährt er zu seiner Frau Jeanne-Claude. Mit der sei er nämlich, berichtet Christo, nach dreißig Jahren Ehe endlich zu einer Person geworden. Immer wenn sie fliegen, werden die beiden allerdings wieder zu Einzelindividuen. Nicht aus mangelnder Liebe, sondern für die Kunst. Denn wenn einer der beiden abstürzt, soll der andere das Projekt zu Ende führen. Nina Kaden
Fortsetzung morgen
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