Schriften zu Zeitschriften: Christlicher Vollzug
■ Literaten, Laien, Lebensabende – ein Streifzug durch fromme Zeitschriften
Ich bestelle manchmal allerlei Probeexemplare von Fachzeitschriften aus den weniger angesehenen Provinzen des Geistes. Dann warte ich ein bißchen und freue mich auf den Briefträger, der mir bald tagtäglich interessante Dinge bringen wird: Humour – International Journal of Humour Research,Der Fußballtrainer – Fachzeitschrift für alle Trainings- und Wettkampffragen, die „linke“ Zahnarztzeitschrift Der Artikulator, die Baumzeitung („Der Ahorn, Baum des Jahres 1995“), Der Literat,Maria vom Guten Rat, Meditation – Anstöße für den christlichen Vollzug oder auch Feierabend, das „Monatsblatt für Menschen in der dritten Lebensphase“.
Interessant an Fachzeitschriften ist nicht in erster Linie die vermeintliche Exotik der Themen, die in ihnen verhandelt werden. Der Begriff des Exotischen ist ja ohnehin eher problematisch. Das Exotischste in der Welt des gedruckten Wortes scheint mir zum Beispiel die erste Seite der FAZ.
Seltsam, manchmal anrührend, ist die geordnete, heimelige Welt, die man beim Lesen betritt; eine Welt, in der die Dinge ihren vertrauten Platz haben, in der die Worte nur selten einen Nebensinn entwickeln, der sie desavouieren könnte, in der die Protagonisten feststehende Positionen einnehmen – eine Welt, die man kaum kennt und die doch häufig viel größer ist als die eigenen Zusammenhänge.
Die Welt des „Literaten“ zum Beispiel, der sich im „Freien Deutschen Autorenverband Schutzverband deutscher Schriftsteller e. V.“ zusammengeschlossen hat, um sowohl der berufsbedingten Einsamkeit, als auch der IG Medien zu entgehen. Der FDA schützt und fördert das deutsche Kulturgut und bekämpft jeglichen Extremismus „von links und von rechts“, wie mir Hildegard Frey, die erste Vorsitzende des fünfzig Mitglieder starken Berliner Landesverbandes berichtet. Interessante Neuigkeiten aus dem Verbandsleben der verschiedenen FDA-Regionalverbände erfährt der Literat in der Zeitschrift Der Literat. Zum Beispiel, daß die umtriebige Ex- DDR-Bürgerrechtlerin Freya Klier neulich im „vollbesetzten Konferenzraum“ des Hamburger Radisson-Hotels in einer von Ulrich Schacht, einem Protagonisten der „Neuen Rechten“, moderierten und von der Konrad-Adenauer-Stiftung veranstalteten Veranstaltung „mit Zitaten aus ihren Büchern ,Lüg Vaterland‘ und ,Abreißkalender‘“ zu glänzen vermochte. Schön, daß Frau Klier keine Berührungsängste vor rechten Säcken hat. „,Starker Applaus für eine starke Frau‘, meinte ein Veranstaltungsteilnehmer“, so schreibt's Der Literat.
Noch besser als in der Welt der Literaten gefällt es mir jedoch in der Welt der Katholiken, aus der man mir zwei Zeitschriften sandte, um mich zu bezaubern. Maria vom guten Rat, das bunte Magazin der „Deutschen Augustiner-Ordensprovinz“ wendet sich an den katholischen Laien.
Es hat all das, was ein buntes Monatsmagazin so braucht: Kreuzworträtsel, eine Witzseite, bunte Bilder, Artikel zum Mutter- („... denn sie schieben das Leben an“) wie zum Vatertag („Auch Väter fangen mal klein an“); den „Mann des Monats“ – das ist diesmal „Isidor, der Bauer“, der am 12. März 1622 heiliggesprochen wurde; vor allem aber erfährt man in der durchaus komischen Rubrik „Notizblock“ von allerlei Durchgedrehtheiten aus der Welt des Christentums. In der Maiausgabe zum Beispiel geißelt der freundlich lächelnde junge Pater Roger Gerhardy die „erste englandweite Osterkampagne“, mit der das „Kirchliche Anzeigen Netzwerk“, ein Zusammenschluß aller großen christlichen Konfessionen, für den Christenglauben warb. Mit der Begründung, das Kreuz sei „kulturell belastet“ und zu sehr mit alten Kirchenklischees verbunden, hatte die Werbekampagne auf das oberste Christensymbol verzichtet. Statt dessen warb man mit einem „Überraschungsei“. Kurz vor Ostern konnte man also in England auf diversen Plakatwänden lesen: „Überraschung! sagte Jesus zu seinen Freunden drei Tage nach seiner Beerdigung. Fortsetzung folgt zu Ostern in einer Kirche ganz in Ihrer Nähe.“ Klasse! Hundert Punkte. Preisverdächtig allerdings auch, wie der „echter-Augustinus-Verlag“, in dem „Maria vom guten Rat“ allmonatlich erscheint, ein neues Buch über „Heilige“ anpreist: „Heiligkeit ist das große Abenteuer eines Lebens; eines der letzten Abenteuer, das einem in dieser durchversicherten Zeit noch bleibt.“
Besonders gespannt war ich auf die Zeitschrift: Meditation – Anstöße für den christlichen Vollzug, klingen doch schon im Titel allerlei mir am Herzen liegende Fachgebiete mit an: der Fußballsport, die schöne Welt der Exekutive, aber auch das Erotische im Sinne des ehelichen Geschlechtsakts, dessen Vollzug weiland schon der hl. Paulus in seinem Korintherbrief regelte: „Doch um der Unkeuschheit willen habe ein jeglicher seine eigene Frau, und eine jegliche habe ihren eigenen Manne. Der Mann leiste der Frau die schuldige Pflicht, desgleichen die Frau dem Manne.“ (Kor. I; 7,2f.) Um's kurz zu machen: „Meditation“ ist doch eher was für evangelische Pfarrer mit einem Faible für Jörg Zink. Es fehlt die Witzseite! Viel angenehmer dagegen Feierabend, das tapfere kleine christliche „Monatsblatt für Menschen in der dritten Lebensphase“.
Dem älteren Mitmenschen gibt es Rat und allerlei Anregung; und den noch halbwegs jungen Leser rührt es an, wenn er liest: „Ich alter Hase werde nicht mehr fertig mit den jungen Igeln, die mir die Show nehmen. Oft beunruhigt mich schon ein zarter Schmerz. Das Lebenskapital ist ziemlich verbraucht.“ Aber keine Bange: Am Ende, am Feierabend des Lebens, wird doch alles gut, und „es hat sich gelohnt, gelebt und gearbeitet zu haben“. Detlef Kuhlbrodt
„Der Literat“, Verlag und Redaktion: Inka Bohl, Postfach 2129, 65803 Bad Soden
„Feierabend“; „Maria vom guten Rat“, echter-Verlag, Postfach 5560, 97005 Würzburg
„Meditation – Anstöße für den christlichen Vollzug“, Verlag Christianopolis, Hechenbergstr. 13, 82362 Weilheim
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen