Christian Prudhomme über die Tour de France: "Idioten gibt es leider immer noch"
Dass Doper erwischt werden, ist für den Tour-Direktor ein Riesenerfolg. Im Interview spricht er von einem "fundamentalen Wandel", den auch die Medien endlich anerkennen müssten.
taz: Herr Prudhomme, wie ist Ihr Resümee nach zwei Wochen Tour de France?
CHRISTIAN PRUDHOMME, 47, war Journalist beim französischen Fernsehen, bevor er 2006 Generaldirektor der Tour de France wurde.
Christian Prudhomme: Ich bin sehr glücklich über den großen Enthusiasmus. Insbesondere in der ersten Woche war die Begeisterung an der Strecke überwältigend. Das gab uns das Gefühl eines wirklichen Neuanfangs.
Das dann aber in der zweiten Woche getrübt wurde.
Natürlich bedauere ich, dass es immer noch Idioten gibt, die die Zeichen der Zeit nicht verstanden haben. Was mich aber positiv stimmt, ist, dass wir die Betrüger erwischen. Ich bin zum ersten Mal, seitdem ich die Tour leite, wahrhaft optimistisch, was den Kampf gegen das Doping angeht. Ich hätte es allerdings gerne gesehen, wenn diese Leute schon im Juni erwischt worden wären, bevor sie zur Tour kamen.
Da hat Ihrer Meinung nach also der Weltverband UCI mal wieder versagt?
Ganz genau. Wir haben hier bei der Tour mit der französischen Antidopingbehörde AFLD eine Institution, die komplett unabhängig ist. Nur so kann man im Kampf gegen das Doping Erfolg haben. Wir haben der AFLD den Schlüssel zu unserem Rennen gegeben und ihr völlig freie Hand gelassen. Und ihr Erfolg stimmt uns sehr optimistisch. Jetzt müssen nur noch die Medien mitziehen und diesen Erfolg anerkennen.
Insbesondere in Deutschland sehen viele die drei neuen Dopingfälle nicht als Fortschritt, sondern als Zeichen dafür, dass der Radsport nicht zu retten ist.
Die Deutschen sind nach dem Sturz von Jan Ullrich und von T-Mobile wie enttäuschte Liebhaber. Ich kann das nachvollziehen. Aber die Deutschen müssen jetzt die Mitte zwischen ihrer Begeisterung von damals und ihrer Enttäuschung von heute finden. Wir sind nicht perfekt, aber wir haben uns sehr gebessert. Es gibt keine Sportveranstaltung auf der Welt, die so gut kontrolliert wird und so transparent ist wie die Tour de France. Wir dürfen nicht weiter unter den Teppich kehren, was im Sport passiert, wir müssen es aufdecken.
Wie wichtig ist es für Sie, die Herzen der Deutschen wieder zu gewinnen?
Der deutsche Markt ist für die Tour enorm wichtig. Wir sind die engsten Nachbarn, wir können gar nicht ohne einander auskommen.
Wie können Sie uns davon überzeugen, dass die Dinge im Radsport wirklich grundlegend anders geworden sind?
Wir hatten im letzten Jahr einen Michael Rasmussen hier am Start, der nie bei einer Dopingkontrolle erwischt wurde. Das wäre in diesem Jahr nicht mehr passiert, weil wir mit der AFLD zusammenarbeiten und nicht mehr mit der UCI. Im vergangenen Jahr wäre ein Riccardo Ricco nicht erwischt worden. Das ist ein fundamentaler Wandel. Außerdem stimmen mich die Fortschritte, die die Wissenschaft gemacht hat, sehr optimistisch. Der Abstand zwischen den Dopern und den Kontrolleuren wird immer kleiner. Wir erwischen die Betrüger. Ricco konnte es nicht fassen, dass er erwischt wurde, er war völlig verwirrt. Das ist ein wunderbarer Fortschritt.
Wird die Tour sich in Zukunft auch weiterhin vom Radsportverband UCI abnabeln?
Die Zukunft der Dopingbekämpfung für uns liegt bei der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada.
Wie sehen Sie die Tour in den kommenden Jahren?
Die Tour wird immer universeller. Ich habe Bewerbungen aus Ländern wie Kanada, Japan, Estland, Katar und Ungarn, die den Tour-Start ausrichten wollen. Das zeigt mir eine große Begeisterung in der ganzen Welt für unsere Veranstaltung. Eine große Skepsis, was die Zukunft der Tour angeht, kann ich eigentlich nur bei den Medien feststellen. Als ehemaliger Journalist verstehe ich Ihr Schwanken zwischen Begeisterung und einem Sich-abgestoßen-Fühlen. Mir macht aber selbst das Letztere Hoffnung, denn es bedeutet, dass Leidenschaft vorhanden ist.
INTERVIEW: SEBASTIAN MOLL
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