Chocolate Remix über Reggaeton: „Tanzen ist Ausdruck von Macht“
Als Chocolate Remix bringt die Argentinierin Romina Bernardo eine feministische und queere Perspektive in den Reggaeton.
taz: Romina Bernardo, Reggaeton wird eher mit Sexismus und Machismo in Verbindung gebracht. Wie haben Sie ihn mit Feminismus verknüpft und den Lesbian Reggaeton entwickelt?
Romina Bernardo: Als ich 2013 begann, Musik zu machen, wusste ich nicht mal, was Feminismus ist. Ich wollte Musik machen, in der ich meine Erfahrungen mit lesbischem Sex und Liebe wiederfinden konnte. Das war in der Musik insgesamt nicht verbreitet. Auf einem Auftritt der argentinischen Band Kumbia Queers in Buenos Aires habe ich mich dann gefragt: Wenn die queeren Cumbia machen, wieso kann ich dann nicht lesbischen Reggaeton machen?
taz: Auch Frauen kritisieren, dass es in Ihren Texten und Videos explizit um Sex und weibliche Körper geht, weil sie darin eine weitere Objektifizierung sehen. Was halten Sie von der Kritik?
Bernardo: Es ist toll, dass wir so etwas analysieren und ich akzeptiere, dass es verschiedene Ansichten gibt. Aber meiner Meinung nach sollten wir uns nicht von einer patriarchalen Gesellschaft vorschreiben lassen, was okay ist und was nicht. Ich finde, dass Sex etwas Tolles ist, und möchte das nicht mit weiteren Tabus belegen. Tanzen und kurze Kleidung sind für mich Ausdruck von Macht und Selbstbestimmung. Und wenn es um die vulgäre Sprache geht, hat die Kritik auch etwas Klassistisches. Wir benutzen eben andere Wörter als in der Uni.
argentinische Produzentin, Rapperin, Sängerin und DJ. Chocolate Remix ist ihr Reggaeton- und Urban-Music-Soloprojekt.
taz: 2018 wurden Ihnen Rassismus und kulturelle Aneignung vorgeworfen, weil Sie als weiße Person Geld mit Musik verdienen, die ihre Ursprünge in Afro-Kulturen hat. Wie stehen Sie dazu?
Bernardo: Ich nehme diese Kritik sehr ernst. Ehrlich gesagt, kannte ich kulturelle Aneignung als Begriff nicht. Ich gebe zu, dass rassistische Vorstellungen in Argentinien verbreitet sind, die auch ich internalisiert habe. Kulturelle Aneignung ist für mich allerdings, wenn man sich nur auf oberflächliche Art und Weise auf die Kultur bezieht, ohne ihr gebührenden Respekt und Anerkennung entgegenzubringen. Ich habe aber eine tiefe Beziehung zu der Musik.
Bremen: Fr, 16.8., 19 Uhr, Schlachthof
Köln: Sa, 17.8., 20 Uhr, Gebäude 9
taz: Worin besteht die?
Bernardo: Ich bin fast ausschließlich mit Musik aufgewachsen, die in Afro-Kulturen ihre Ursprünge hat. In gewisser Weise ist sie mir viel näher als Genres, die eher mit klassischer europäischer Musik assoziiert werden. Seit mehr als 10 Jahren widme ich mich dem Reggaeton. Ich kenne, respektiere und verbreite seine Ursprünge und seine Kultur und versuche, eine Stimme und einen Standpunkt als queere Person einzubringen. Und es geht mir nicht ums Profitmachen, aber ich bin eine unabhängige Künstlerin, die von ihrer Arbeit leben will.
taz: Ihre Songs sind fast immer politisch. In „Ni una menos“ beziehen Sie sich auf die Proteste gegen Feminizide in Argentinien, Ihr aktuelles Album „Minga“ adressiert die aktuelle Politik im Land.
Bernardo: Wir befinden uns in der Situation, dass wir eine rechtsextreme Regierung haben, die wirtschaftlich liberal, aber konservativ und faschistisch ist, die die Diktatur verteidigt, die homophob und frauenfeindlich ist. Das Album zielt darauf ab, trotz der schrecklichen Situation, die wir in Bezug auf die Wirtschaft und die Menschenrechte erleben, ein wenig Spaß und Humor zu bringen. Sie wollen, dass wir deprimiert sind und uns ergeben. Aber wir werden nicht nachgeben.
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