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China will Seemacht werdenAuch Peking jagt jetzt Piraten

Der chinesische Einsatz gegen Piraten vor der somalischen Küste verschafft der Kriegsmarine der Volksrepublik eine neue Rolle und zeigt Chinas gewachsenes Selbstbewusstsein.

Die Seeleute der "Zhenua 4" schlugen die Piraten noch mit Hilfe von Molotov-Cocktails in die Flucht. Jetzt soll die chinesische Marine das übernehmen. Bild: ap

PEKING taz Erstmals in der Geschichte der Volksrepublik geht Chinas Marine auf Piratenjagd - tausende Kilometer von den heimatlichen Küsten entfernt, im Golf von Aden und vor Somalia. Zwei Zerstörer mit zwei Helikoptern an Bord und ein Versorgungsschiff stachen am Freitag vom südchinesischen Marinestützpunkt Sanya auf der Insel Hainan aus Richtung Afrika in See. "Die Piraterie hat sich zu einer internationalen Pest entwickelt", so begründete der Sprecher des Verteidigungsministeriums in Peking, Huang Xueping, den Einsatz. Damit beteiligt sich China am Versuch, die Schifffahrt am Horn von Afrika zu schützen.

2008 wurden laut dem Piracy Reporting Center des International Maritime Bureau dort 110 Schiffe angegriffen und 42 gekapert. 14 sind noch in der Gewalt von Piraten. Auch Chinas Handelsflotte geriet ins Visier somalischer Piraten. Erst vor wenigen Tagen misslang ein Piratenangriff auf den chinesischen Frachter "Zhenhua 4", der auf der Karibikinsel St. Vincent registriert ist. Den 30 Seeleuten gelang es, die Seeräuber in Schach zu halten, bis Hubschrauber und Kriegsschiffe zu Hilfe kamen.

Die neue Mission der chinesischen Marine sei "schwierig und komplex", erklärte Generalstabsoffizier Ma Luping. In den Gewässern vor Somalia seien 25 bis 30 Banden aus 1.000 Piraten aktiv, darunter vier große Gruppen: "Sie sind gut organisiert und haben moderne Waffen." Chinas Piratenjäger sollen nicht nur Chinesen, sondern auch Frachter mit UN-Hilfsgütern eskortieren, die ebenfalls öfter gekapert wurden. Dabei würden sich die chinesischen Kriegsschiffe "an die vom UNO-Sicherheitsrat gegen die Piraterie verabschiedeten Resolutionen" halten, versicherten die Offiziere.

Die Entscheidung, sich am Kampf gegen die Piraterie zu beteiligen, spiegelt nicht nur die große Bedeutung der Handelsrouten um Afrika für Chinas Wirtschaft wieder, sondern auch das neue Selbstbewusstsein des chinesischen Militärs und die Bereitschaft, sich stärker international zu engagieren. So stammen etwa 75 Prozent aller Ölimporte Chinas aus dem Nahen Osten und aus Afrika. Containerschiffe mit chinesischen Waren kreuzen wie chinesische Fischerboote auf allen Weltmeeren.

Bisher sah Pekings Militärdoktrin allein die Verteidigung der Landesgrenzen vor. Jetzt hat Chinas Marine neue Aufgaben. Dazu gehören der weltweite Schutz eigener Handelsinteressen. Experten sprechen vom Wandel von einer "Flachwasser- zu einer Tiefseemarine".

In den letzten acht Jahren bekam Chinas Flotte 60 neue Kriegsschiffe. Sie ist mit 860 Schiffen mittlerweile die größte Asiens - eine Entwicklung, die Chinas Nachbarn aufmerksam beobachten. Dazu gehören die Taiwaner, die sich vor einer See- und Luftblockade im Falle eines Konflikts mit Peking fürchten, ebenso wie die anderen Anrainer des südchinesischen Meers. Unter dem Meeresboden werden Rohstoffe vermutet. Die in China verbreiteten Landkarten zeigen die Grenzen des von der Volksrepublik beanspruchten Meeresterritoriums nahe der Küste der Insel Borneo, die zwischen Malaysia, Indonesien und Brunei aufgeteilt ist.

Ein offenes Geheimnis ist, dass China ernsthaft erwägt, einen Flugzeugträger zu bauen, oder womöglich schon baut. Er soll der Marine erlauben, längere Zeit weit entfernt von der Heimat zu agieren. Der Sprecher des Verteidigungsministeriums bestätigte indirekt diese Pläne: Der Besitz von Flugzeugträgern "spiegelt die umfassende Macht einer Nation wieder". Die Regierung erwäge deshalb "ernsthaft" alle relevanten Aspekte. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hatte in New York Pekings Entscheidung gelobt, sich am Kampf gegen die somalischen Piraten zu beteiligen. Sie sei "zur rechten Zeit" gefallen. Am Dienstag hatte der Weltsicherheitsrat in einer Resolution alle Mitgliedsstaaten ermächtigt, die Piraten anzugreifen.

Laut japanischen Medien lässt jetzt auch Japans Regierungschef Taro Aso den Einsatz der Marine gegen Piraten am Horn von Afrika prüfen. Aso erteilte Verteidigungsminister Yasukazu Hamada nach dessen Worten am Freitag einen entsprechenden Auftrag. Es wäre das erste Mal, dass sich Japan an einer solchen Operation in ausländischen Gewässern beteiligt.

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2 Kommentare

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  • DH
    David H.

    Jaja, der alte deutsche Traum von Seemacht und Flottenparität! :D

    Oder doch eher ein Hauch von "Fluch der Karibik"? Nein, wahrscheinlich doch eher das "ZDF Traumschiff"!

  • VH
    Volker Helmers

    Die "Karlsruhe" hat ein Piratenboot aufgebracht und die Piraten entwaffnet: - Na also, es geht doch! Ein Bravo den Soldaten, die an diesem Einsatz beteiligt waren.

    Aber dann die Piraten wieder laufen lassen, ihnen sogar noch ihr Boot lassen, angeblich, weil keine "deutschen Interessen" berührt waren? Warum übergibt man die Piraten dann nicht dem Land, dessen Schiff angegriffen wurde, in diesem Falle also Ägypten? Dort würde den Piraten wohl sehr rasch kurzer Prozess gemacht.

     

    Hat nicht die Bundesmarine einen Stützpunkt in Djibouti? Dort könnte man die Piraten doch so lange in Gewahrsam halten, bis sie ausgeliefert werden können.