China will Leitwährung stellen: Volksgeld statt harter Dollar
Peking will sich von der Dollar-Abhängigkeit lösen. Doch muss China vorsichtig agieren und die eigene Währung Yuan konvertibel machen. In Hongkong wird die neue Rolle schon geprobt.
HONGKONG taz | In Peking wird heute mit Barack Obama der Präsident von Chinas größtem Schuldnerland offiziell empfangen. Obamas großes Glück ist, dass die USA mit US-Dollar in der Kreide stehen. Weil China schätzungsweise 1,4 Billionen seiner 2,27 Billionen Dollar Währungsreserven in US-Dollar hält, davon knapp 800 Milliarden in US-Staatsanleihen, ist es sehr an der Stabilität des Dollars interessiert.
Die USA sind zudem der größte Abnehmer chinesischer Exporte. Das verstärkt die Abhängigkeit von den USA und nährt in Peking die Besorgnis angesichts protektionistischer Tendenzen auf der anderen Seite des Pazifiks.
Als erste große Volkswirtschaft überwindet China derzeit die globale Krise - dank eines rund 400 Milliarden Euro teuren Konjunkturprogramms und dank hoher Kredite für die heimische Wirtschaft. China geht machtpolitisch gestärkt aus der Krise hervor.
Mit dem erneuten Wirtschaftswachstum (im Oktober plus 16,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr) und dank steigender Exportüberschüsse (24 Milliarden Dollar im Oktober) sprudeln auch wieder Chinas Dollareinnahmen. Solange der Dollar die Rolle als globale Handelswährung hat und China hohe Überschüsse verzeichnet, bleibt die Volksrepublik von der US-Währung abhängig.
Künstliche Abwertung
Die Amerikaner werfen den Chinesen daher auch vor, ihren auch Renminbi ("Volksgeld") genannten Yuan künstlich an den US-Dollar zu koppeln und so qua Währungskursmanipulation ihre Exporte wettbewerbsverzerrend zu verbilligen. Denn Peking hat im Juli 2008, als die chinesischen Exporte einbrachen, den Yuan de facto wieder an den Dollar gebunden - zum Kurs von 6,83 Yuan für einen Dollar. Der Fixkurs reduzierte in der Krise die Verunsicherung, doch mit dem schwächelnden Dollar verlor auch der Yuan an Wert. Das verbilligte chinesische Produkte und kurbelte den Export an - zum Ärger vieler Konkurrenten.
Barack Obama hat angekündigt, dieses Thema jetzt anzusprechen. Doch andererseits wird er versprechen müssen, den Dollar stabil zu halten, nicht übermäßig die Notenpresse anzuwerfen, den US-Markt offenzuhalten und die US-Defizite einzudämmen. Die Zeiten, in denen Washington China einseitig finanzpolitische Forderungen stellen konnte, sind mit der Krise, die von den USA ausgegangen war, vorbei.
Das zeigte sich vor dem G-20-Finanzgipfel Ende März in London. Damals machte Chinas Zentralbankgouverneur Zhou Xiaochuan Schlagzeilen, als er eine neue Leitwährung zur Vermeidung künftiger Krisen forderte. Die Krise zeige, wie gefährlich es sei, wenn die Welt sich auf eine Währung verlasse, schrieb Zhou in einem Aufsatz.
Als neue Leitwährung schlug er die sogenannten Sonderziehungsrechte vor, eine vom Internationalen Währungsfonds (IWF) benutzte Verrechnungseinheit aus einem Währungskorb aus Dollar, Euro, Yen und Britischem Pfund. Indirekt plädierte Zhou für eine stärkere Rolle der Schwellenländer im IWF und für die Aufnahme anderer Währungen in die Sonderziehungsrechte. Das wurde als Plädoyer für eine stärkere Rolle des Yuan gewertet. Manche unkten, der Yuan solle den Dollar ersetzen.
Zhou mag das langfristig im Sinn haben, doch hütete er sich vor solchen Äußerungen. Denn der Yuan ist bisher nicht einmal konvertibel. Es wird für den Yuan also ein langen Marsch nach oben werden, und noch ist es ein weiter Weg, bis überhaupt daran zu denken ist, dass er eine internationale Reservewährung wird, erst recht eine globale Leitwährung. Zentralbanker Zhou kann sich auch gar nicht erlauben, den Dollar schlechtzureden. Dies würde sofort den Wert von Chinas Reserven mindern.
"Zhou hat vor allem die USA davor gewarnt, ihre Währung weiter abzuwerten", sagt David Li Kwok-po der taz. Der Tycoon, der Pekings Vertrauen genießt, ist geschäftsführendes Vorstandsmitglied und wichtigster Eigentümer der Bank of East Asia (BEA) in Hongkong - der drittgrößten Bank der Finanzmetropole. BEA ist die Bank, die am stärksten in China aktiv ist und nicht vom chinesischen Festland stammt. Das Institut wurde als erste quasi ausländische Bank von Peking dazu ausgewählt, in China Yuan-nominierte Kreditkarten anzubieten und in Hongkong chinesische Yuan-Staatsanleihen auszugeben.
Auch Li räumt ein, dass der Yuan unterbewertet sei, sagt aber: "Sein Wert wird definitiv steigen. Aber nicht, wenn die USA Druck machen. Gibt China dann nach, werden die USA immer wieder Druck machen." Immerhin hatte Peking den Yuan schon einmal von Juli 2005 an schrittweise um 21 Prozent gegenüber dem Dollar aufgewertet - bis der Fixkurs vom Juli 2008 dem ein Ende setzte.
Vergangene Woche deutete Zhous Zentralbank in einem Quartalsbericht an, dass sie eine Aufwertung erwägen könnte. "Der Yuan ist unterbewertet und sollte mittelfristig stärker werden, aber das heißt nicht, dass er jetzt aufgewertet wird," meint Wang Qing, China-Analyst der US-Bank Morgan Stanley in Hongkong. Viele halten die Äußerung im Quartalsbericht für ein Manöver, um bei Obamas Besuch den Druck zu reduzieren. So rechnet Wang frühestens im Sommer 2010 mit einer moderaten Aufwertung.
Trotz Zhous Äußerungen vom März blieb Peking dem Dollar gezwungenermaßen treu. Auch in diesem Jahr war Peking wieder Käufer der meisten US-Staatsanleihen. Doch Peking hat begonnen, Alternativen zu entwickeln. Anders als etwa Indien, das kürzlich für 6,7 Milliarden Dollar 200 Tonnen Gold vom IWF kaufte, förderte China die Internationalisierung seiner eigenen Währung. "China hat verstanden, dass es seinen Yuan schneller als gedacht internationalisieren muss", sagt der BEA-Tycoon Li.
Dazu beigetragen hat die starke Abhängigkeit vom Dollar, die in der Finanzkrise zutage trat. Deshalb erlaubt Peking jetzt die Nutzung des Yuan im Grenzhandel mit einigen Nachbarstaaten und vereinbarte zudem mit Argentinien, Weißrussland, Indonesien, Malaysia, Südkorea und Hongkong Währungsswaps im Umfang von 650 Milliarden Yuan, etwa 67,8 Milliarden Euro.
China erlaubte zudem Hongkong, dem einzigen internationalen Finanzplatz auf chinesischem Boden, den Handel mit dem Yuan. Die Exkronkolonie ist heute autonome Sonderzone, gehört zu den größten Finanzplätzen der Welt und verfügt mit dem Hongkong-Dollar über eine eigene, an den US-Dollar gekoppelte konvertierbare Währung. Hongkong ist Chinas Experimentierfeld für die Internationalisierung des Yuan. "Internationalisierung heißt in diesem Fall, den Yuan konvertierbar zu machen," so Wang von Morgan Stanley.
Hongkonger Bankkunden, die Geschäfte auf dem chinesischen Festland machen, können die Währung auf ihrem Konto problemlos wechseln. Ende September gab Peking in Hongkong die erste in Yuan nominierten Staatsanleihe durch nichtchinesische Banken im Umfang von 6 Milliarden Yuan aus. Die von BEA und einer anderen Bank vertriebenen Bonds wurden dreifach überzeichnet. "China benötigt die Anleihen nicht, es wollte damit vielmehr Hongkong als Offshore-Finanzzentrum für den Yuan fördern", meint Wang.
Die von den meisten Beobachtern erwartete Aufwertung erhöht die Nachfrage nach Yuan und verstärkt den Aufwertungsdruck, aber auch die Gefahr von Spekulationsblasen. Schätzungen zufolge soll bereits Kapital im Umfang von 150 Milliarden Dollar nach China geflossen sein.
Zielvorgabe 2020
Die meisten chinesischen Finanzexperten halten den Yuan zwar für international unterbewertet, den momentanen Wechselkurs aber dennoch für angemessen angesichts des Ziels, Chinas Exporte anzukurbeln. Das sei trotz des jüngsten Wachstums noch nicht im gewünschten Maß erfolgt, schließlich liegt das Exportvolumen immer noch unter dem Niveau von 2008.
Hongkonger Finanzexperten verweisen drauf, dass es noch dauert, bis Chinas Währung internationalisiert ist. Als Zielvorgabe sehen sie das Jahr 2020: Chinas Regierung will bis dann Schanghai zum "internationalen Finanzzentrum" ausbauen. "Das geht nur, wenn der Yuan bis dahin voll konvertierbar ist," sagt Wang. Dennoch werde Hongkong das internationale Finanzzentrum Chinas bleiben und Schanghai eher eine nur nationale Rolle spielen, glaubt er.
"In China Regierung wächst heute die Akzeptanz, den Yuan außerhalb der Volksrepublik einzusetzen", sagt Julia Leung, Staatssekretärin der Hongkonger Regierung für Finanzen und Finanzdienstleistungen. Die frühere Redakteurin des Asia Wall Street Journal sagt, in Peking wachse die Einsicht, die eigenen Währungsreserven zu diversifizieren.
Schließlich sei es ein Vorteil, wenn die eigene Währung eine Reservewährung sei. Dies reduziere das Wechselkursrisiko. "China ist dabei, zur zweitgrößten Wirtschaftsnation der Welt zu werden. Somit ist es nur natürlich, dass seine Währung eine vergleichbare Rolle spielen wird", sagt sie. Dazu habe der Yuan das Potenzial. "Peking geht dabei Schritt für Schritt vor."
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