China-Spot am Times Square: Kontraproduktive Werbung
Per Werbevideo verbreitet China während Hus-Besuch in den USA einen Imagefilm. Am Times Square läuft er 300 Mal täglich. Kritiker sehen ihn als pure Gehirnwäsche.
PEKING taz | Chinas Zeitungen haben den USA-Besuch von Staats- und Parteichef Hu Jintao gestern mit großen Fotos der beiden Präsidenten auf dem Rasen des Weißen Hauses gewürdigt. Die offizielle Pekinger Global Times sprach von einer "symbiotischen" Beziehung beider Länder.
Doch im Internet und über den in China zwar blockierten, aber mit spezieller Software zu erreichenden Mikroblog Twitter kursieren auch bissige Kommentare über den Besuch und das China-Image, dass die Regierung per Werbevideo verbreitet.
Der 60-Sekunden-Spot flimmert derzeit täglich 300-mal über große Leinwände am New Yorker Times Square, und zeigt unter anderem prominente chinesische Sportler, Schauspielerinnen und Geschäftsleute. Sie stellen das moderne Gesicht des zukunftsgewandten China dar. Der prominente Blogger Michael Anti kommentierte, dies sei "keine Werbung, sondern Gehirnwäsche". Wer jetzt am Times Square seinen Kaffee trinke und die Zeitung lese, müsse glauben, dass "die Chinesen schon New York besetzt" hätten, schrieb er ironisch, vor allem, wenn sie gerade in Artikeln von einer "chinesischen Bedrohung" lesen würden. Die armen Hotdog-Verkäufer auf dem Platz würden am Ende sicher "antichinesisch bis auf die Knochen" werden.
Auch die Pekinger Verlegerin Hong Huang, deren Mutter einst für Mao Zedong dolmetschte, machte sich über den Spot lustig. Das Video werde nun in allen Sendern des Staatsfernsehens in China gezeigt, als Ergänzung zum Bericht über Hus Besuch in Washington. Am Ende seien die Times-Square-Bilder nur als Werbung für "den größten Star des Augenblicks gedacht: den Boss der China-GmbH".
Während chinesische Staatskonzerne und ihre US-Geschäftspartner den Besuch Hus in Washington nutzten, um Wirtschaftsprojekte im Wert von 45 Milliarden Dollar zu vereinbaren, veröffentlichten die Behörden in Peking die neuesten Boomzahlen. Mit 10,3 Prozent Wachstum übertraf China 2010 alle Vorgaben deutlich. Die Regierung hatte vor einem Jahr noch erklärt, sie strebe 8 Prozent an, um eine Überhitzung zu vermeiden.
In Washington räumte Hu Defizite bei den Menschenrechten ein. Bei der Frage gebe es in China noch "viel zu tun", sagte er. Doch teile er die Definition universeller Menschenrechte von US-Präsident Barack Obama nicht: "China erkennt die Universalität der Menschenrechte an und respektiert sie, aber zugleich denken wir, dass wir die verschiedenen nationalen Umstände hinsichtlich der Menschenrechte berücksichtigen müssen."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?