Chile: Gedenken an die Opfer behindert
Demonstration zum Jahrestag des Putsches in Chile. Die Regierung will das Kapitel "Diktatur" abschließen.
BUENOS AIRES taz Mit einer doppelten Reihe von Absperrgittern haben am Sonntag die chilenischen Sicherheitsbehörden den Präsidentenpalast abgesichert. Menschenrechtsgruppen hatten zu einem Gedenkmarsch aufgerufen, dem ersten nach dem Tod des Diktators Augusto Pinochet. Pinochet "ist jetzt ein Teil der Vergangenheit," erklärte dazu Regierungssprecher Ricardo Lagos Weber.
7.000 Menschen waren am Sonntag dennoch aus Anlass des 34. Jahrestages des Putsches durch die chilenische Hauptstadt Santiago de Chile gezogen. Bei kleineren Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei wurden 189 Personen vorübergehend festgenommen, ein Polizist wurde verletzt. Der Marsch führte durch die Hauptstadt zum großen Zentralfriedhof zu einem Mahnmal, wo der Opfer der Diktatur gedacht wurde. Die Polizei verhinderte jedoch den Vorbeimarsch am Präsidentenpalast.
General Augusto Pinochet hatte sich am 11. September 1973 gegen die demokratisch gewählte Regierung des Sozialisten Salvador Allende an die Macht geputscht. Mehr als 3.000 Menschen wurden bis zum Ende seiner Diktatur 1990 ermordet und Zehntausende gefoltert. Pinochet war am 10. Dezember 2006 im Alter von 91 Jahren gestorben. In seiner Rede am "Mahnmal für die Verhafteten/Verschwundenen" kritisierte der Menschenrechtsanwalt Hugo Gutiérrez die Blockadehaltung der Regierung: "Wir haben bewiesen, dass wir trotz des vorhergesagten Chaos in Ruhe marschieren können," so Gutiérrez.
Im Vorfeld war in den Medien heftig über einen erneuten Ausbruch von Gewalt spekuliert worden. Im vergangenen Jahr hatten Demonstranten Brandsätze gegen den Präsidentenpalast "La Moneda" geworfen und später Schaufenster von Banken mit Steinen zertrümmert. Bis zuletzt hatten die Veranstalter versucht, die Sicherheitsbehörden zu bewegen, sie mögen die Morandé-Straße freimachen, damit der Marsch wie jedes Jahr seitlich am Präsidentenpalast vorbeiziehen kann. An dieser Stelle gibt es seit dem Jahr 2000 einen kurzen Halt und ein Gedenken an den getöteten sozialistischen Präsidenten Salvador Allende. Die Behörden blieben jedoch stur, und so begannen die Auseinandersetzungen just an der Stelle, an der die Polizei die Marschroute verändert hatte. Steine flogen, 1.500 Polizisten setzten Schlagstöcke und Wasserwerfer ein und machten konsequent Festnahmen. Am Tag danach sprachen Politiker und Medien je nach politischer Couleur von Erfolg oder übertriebenem Einsatz. "Es ist ungeheuerlich, dass uns die Regierung eine der Sache angemessenes Gedenken nicht erlaubt hat", kritisierte Viviana Díaz von der Menschenrechtsorganisation der Verhafteten/Verschwundenen.
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