: Che und der römische Kaiser
AUSSTELLUNG Das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe präsentiert Menschendarstellungen aus insgesamt vier Jahrtausenden, erschöpft sich aber in halbherzigen Vergleichen
VON HAJO SCHIFF
Es ist wie ein Kampf mit dem eigenen Schatten: Dem Menschen gerät alles nach seinem Bilde, auch die Idole und Götter. Gleich, ob Kultbild oder Geschenk an die Geliebte, etwa 100 Objekte aus allen Abteilungen des Museums für Kunst und Gewerbe in Hamburg wurden für die aktuelle Sonderausstellung „Body and Soul. Menschenbilder aus vier Jahrtausenden“ ausgewählt. Heilige und Krieger, Tempelzier und Designobjekte, Zeichnungen physiognomischer Forschung, stilisierte Theatermasken oder eitle Selbstdarstellungen spiegeln direkt oder indirekt ihr jeweiliges Bild vom Menschen. Und das zeigt in diesen aus der über 500.000 Objekte fassenden Sammlung ausgesuchten Exponaten oft erstaunlich ähnliche Formulierungen idealen Menschseins.
Doch das, was sich als da Themen-Ausstellung geriert, ist eigentlich nur ein schick präsentiertes „Best of“ des Museums. Die umfassende, zweieinhalb gespendete Millionen teure Neugestaltung des Hauptfoyers machte nicht nur einen neuen Kunstbuchshop, sondern auch zwei neue Ausstellungsräume möglich. Der aktuelle Grundrissplan bezeichnet diesen Bereich kurz als „Highlight-Räume“. Das passt gut in die Zeit, in der eine lustlose und überforderte Kulturbehörde den von ihr – trotz scheinbarer Selbständigkeit wieder mehr denn je abhängigen und unterfinanzierten – Museen nahelegt, mit Bordmitteln Profit zu machen, also vor allem die eigenen Sammlungen unter frischen Gesichtspunkten gut zu verkaufen. Darum also geht’s – auch hier im gut besuchten Lieblingsschatzhaus der Hanseaten.
Zwei überlebensgroße, nackte Frauen aus glasierter Keramik rahmen in dekorativ verdrehter Pose den Eingang der Schau. Richard Luksch hatte die Figuren 1904 für eine Wiener Nervenheilanstalt hergestellt. Das irgendwie ironisch sehen zu wollen ist allerdings nicht der Tenor dieser Schau. Gleich hinter dem frauengezierten Tor führt rechts der ägyptische Unterweltgott Osiris zum Thema Tod, der interessantere Rundgang führt aber links herum über „Geburt“, erwartungsgemäß abendländisch vorbei an einem drallen Christuskindchen mit Weltkugel. In dieser Rubrik dominiert natürlich die Frau mit Kind, mal als altägyptische Isis mit dem Horusknaben, mal als Maria mit Jesus (1495, Florenz), dann gar in kultureller Mehrfachvermischung buddhistischer und christlicher Ikonographie als chinesische Glücksgöttin Guanyin mit Kind.
Was ist aus solchen Vergleichen zu lernen? Die strukturelle Gleichheit einer Thematik in aller Welt und aller Zeit? Aber müsste nicht anstelle eines solchen Kulturrelativismus bei der Ähnlichkeit der Form gerade die Verschiedenartig der Ideen betont werden? Ist nicht die historische Wanderung einer speziellen Vorstellung aus dem Ägyptischen ins Christentum und von da in den Buddhismus und inzwischen sogar Hinduismus nicht viel interessanter als die bloß grundlegende Tatsache, dass es irgendwie überall Frauen mit Kindern gibt? Und es scheint auch nicht gleichgültig, welche Gottheit heute noch angebetet wird: Denn der mit rundlichen Formen spielende Stuhl wird es wohl nicht sein – auch wenn er – gleichfalls mit Verweis auf Mutter und Kind – in diesem Parcours auftaucht.
Nur selten wird in dieser Schau zudem ein Thema innerhalb des gleichen Kulturkreises betrachtet: So wird demonstriert, dass nicht nur Nobuyoshi Araki am weiblichen Geschlecht interessiert ist, sondern vor ihm 1818 der japanische Zeichner Hokusai und noch früher Kitagawa Utamaro. Die kleine Zusammenstellung von Holzschnitt, Zeichnung und Fotografie zeigt, wie zeiten- und medienüberspannende Kombinationen auch bei enger gefassten Themen funktionieren.
Erfreulich ist, zwei der Benin-Bronzen aus dem Nigeria des frühen 17. Jahrhunderts zu sehen, erstrangige Paradestücke afrikanischer Hochkunst, die das Haus vor einiger Zeit nur aufgrund der Intervention der Leitung des Völkerkundemuseums nicht weggegeben hat. Und schon die Elfenbeingruppe von „Adam und Eva nach der Vertreibung aus dem Paradies“ des sogar zweimal in der Auswahl vertretenen manieristischen Künstlers Leonhard Kern ist einen Besuch wert. Hier sind wirklich menschliche Ausdrucksqualitäten zu studieren. Oder, ganz der ursprünglichen Zielsetzung des Museums für Kunst und Gewerbe gemäß, die Qualität der handwerklichen Ausführung.
Die Hoffnung dieser doch eher wie eine Mustermesse wirkenden Ausstellung scheint zu sein, quasi mit leckerem Häppchen die Besucher anzufixen und neugierig zu machen. Schon der Titel – „Body and Soul“ – ist ja etwas appetitlicher angerichtet als ein hausmannskostiges „Körper und Geist“. Nur wäre das Ganze vielleicht sinnvoller an einem anderen Ort als ausgerechnet dem Museum. Denn in das müssen die Besucher ja immerhin schon mal gekommen sein, um die hier gereichte Lockspeise zu genießen.
Eine einfaches Verständnis des Strukturalismus sagt, es gäbe weltweit ohnehin nur eine Handvoll Grund-Probleme der Menschheit: Geburt und Tod gehören sicher dazu und vielleicht einige andere der die Auswahl gliedernden Begriffe. Und so scheint das auf ein Konstrukt wie „Weltkultur“ schielende Konzept der Schau sofort schlüssig. Es ist schön demonstriert und in mitnehmbaren Saalzetteln ordentlich erklärt, dazu von einem edlen Katalog begleitet. Jeder kann solchen qualitätvollen Gegenüberstellungen etwas abgewinnen, und sei es ein Schmunzeln. Wie denn auch nicht – bei Überschriften wie „Schönheit“, „Leidenschaft“ und „Tod“.
Und dennoch führt diese ins allzu Allgemeine abgehobene Idee wie manch andere Ausstellung dieser Art in letzter Zeit (beispielsweise in Berlin zur Vorbereitung des Humboldt-Forums) in die Irre der Beliebigkeit: Zwischen einem Plakat von Che Guevara aus dem Jahr 1968 und einem Fragment einer römischen Kaiser-Statue lässt sich zwar ein Dialog herbeiführen – aber er hat doch leider nur das Niveau einer Kneipenanekdote: Politische halbreligiöse Verehrung, jaja noch ein Bier. Im ersten Stock hat das Haus übrigens ein Restaurant.
Bis 19. September, Hamburg, Museum für Kunst und Gewerbe