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Chaos bei Schüler-DemoEine Demo und ihr jähes Ende

Nach der Schülerdemo am Mittwoch werden die Scherben zusammengekehrt. Die Jüdische Gemeinde erwartet eine Entschuldigung, die Demoveranstalter klagen über die Polizei.

Stimmung gekippt: Die Schülerdemonstration vor und in der Humboldt-Uni verlief nicht ganz friedlich. Bild: dpa

"Verraten und verkauft" heißt der Titel der Ausstellung im Foyer der Humboldt-Universität. In Bildern und Texten dokumentiert sie die Zerstörungswut, mit der die Nazis im November 1938 jüdische Geschäfte und Unternehmen demolierten und deren Eigentümer vertrieben. Nun hängt die Ausstellung selbst in Fetzen: Gut 1.000 der rund 6.000 TeilnehmerInnen der Schülerdemonstration für bessere Bildung am Mittwoch waren in die HU eingedrungen - neben Fensterscheiben, Postfächern und Feuerlöschern gingen dabei auch die Ausstellungstafeln zu Bruch.

HU-Präsident Christoph Markschies äußerte sich bestürzt darüber, "dass wenige Tage nach dem 9. November eine Ausstellung, die nationalsozialistisches Unrecht an jüdischen Mitbürgern dokumentiert, von Chaoten schwer beschädigt wurde". Die Humboldt-Universität werde gemeinsam mit den Verantwortlichen im Land Berlin dafür sorgen, "dass die Freiheit der öffentlichen Rede an einer Universität nicht von denen missbraucht wird, die diese Freiheit im Grunde abschaffen wollen", heißt es in einer Pressemitteilung der HU. Die komplette Höhe der Schäden, die die DemonstrantInnen anrichteten, sei noch nicht ermittelt, sagte HU-Sprecherin Katharina Henschen der taz. Die Uni habe aber bereits Anzeige wegen der Taten erstattet. Nach Polizeiangaben wird gegen drei Personen ermittelt, und der Staatsschutz hat Ermittlungen wegen schweren Landfriedensbruchs aufgenommen.

Auch die Organisatoren der SchülerInnendemo reagierten mit Bestürzung auf die Ausschreitungen. Die Besetzung der Uni sei "im ersten Moment ein tolles Bild" gewesen, sagt Lee Hielscher von der Landesschülervertretung (LSV): "SchülerInnen aller Schultypen demonstrierten gemeinsam gegen die Eliteuni." Erst im Nachhinein habe er von den Verwüstungen erfahren: "Davon distanzieren wir uns und haben mit der Unileitung bereits Kontakt aufgenommen und uns entschuldigt."

Auch Martin Mitterhauser vom Veranstalterbündnis "Bildungsblockaden einreißen" bedauert die Beschädigungen: "Den Protest in die Uni hineinzutragen finden wir aber legitim und denken auch, dass die Zerstörungen von den SchülerInnen nicht beabsichtigt waren." Man habe der Uni bereits angeboten, bei der Beseitigung der Schäden mitzuhelfen, so Mitterhauser.

Kritik äußern die Demoveranstalter am Vorgehen der Polizei, die nach den Vorfällen in der Uni die Demonstration zunächst umleitete und dann vorzeitig auflöste. Statt wie geplant auf dem Bebelplatz, sollte die Abschlusskundgebung auf der Karl-Liebknecht-Straße stattfinden. Als dort gegen 15 Uhr der Auftritt einer Band vorbereitet wurde, habe die Polizei die bis 16 Uhr angemeldete Demo abgebrochen. Dabei seien TeilnehmerInnen von Polizisten "zu Boden gedrückt, getreten und geschlagen worden", so LSV-Sprecher Hielscher. Ihm seien dreizehn Fälle bekannt, in denen DemonstrantInnen zur Feststellung der Personalien vorübergehend in Gewahrsam genommen wurden.

Eine offizielle Entschuldigung der SchülerInnen fordert auch Lala Süsskind, die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Berlin: "Und zwar nicht nur bei der Humboldt-Universität, sondern auch bei den Menschen, die sich von der Zerstörung der Ausstellung betroffen fühlen."

Dennoch empfiehlt Süsskind, den Vorfall nicht "an die große Glocke zu hängen". - "Die Schülerinnen und Schüler sind ja nicht mit der Absicht in die Uni eingedrungen, ausgerechnet diese Ausstellung zu zerstören." Und für mehr Bildung zu streiken sei grundsätzlich eine gute Sache, findet Süsskind.

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1 Kommentar

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  • J
    Janis

    Liebe Taz,

    Ich halte relativ viel von eurer Arbeit und auch der Artikel ist ok, aber die Humboldt-Uni solltet ihr schon von dem niedersächsischen Landtag unterscheiden können.

    Das Bündnis "Bildungsblockaden einreißen" hat sich in einem offenen Brief für die Vorfälle entschuldigt.

     

    Anm. d. Red.:

    Sie haben Recht. Wir haben jetzt das richtige Bild online.