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Archiv-Artikel

Überall nur Orte: „Zimtfisch“ in der Schilleroper Chansons auf der Walz

Nach vier Alben wird es vielleicht Zeit, sich mal um Orte zu kümmern. Darum, wo man herkommt, wo man durchkommt und wo man hin will. „Wohnorte haben doch auch etwas Gutes: Man ist schneller draußen als man gucken kann“, heißt es auf der aktuellen LP Klettern der Berliner Band Zimtfisch, und im gleichen Lied will man „raus aus Walsrode“. „Hallo Frankfurt!“ singt Songschreiber Jakob Dobers und kommt auch noch an München, Zürich, Mainz, Bonn, Fulda und Duisburg vorbei. „Tickets nach Übersee“ will er kaufen und landet dann doch nur „Unten am Fluss“, einem Fluss irgendwo in Deutschland.

Eine melancholische Reise ist Klettern geworden und ebenso ein Spaziergang durch die Jahreszeiten, der sein gleichmäßiges, aber zügiges Tempo beibehält. Zimtfisch ruhen sich nicht aus, treffen „Idioten auf der Suche nach Sommer“ und schreiben sich selbst einen „Invisible Autumn-Worksong“. Und wenn sie mal tanzen, denn auch das geht, dann tun sie das ebenfalls „An einem so genannten Ort“.

Die musikalische Standortbeschreibung? Bar-Beat-Chansons machen Zimtfisch, und diese Lieder sind wie Räume: Man bekommt keinen Eindruck, wenn man nur flüchtig hineinschaut. Wer sich ein Bild machen will, der muss schon ganz hinein, sich umschauen und braucht vielleicht einen Augenblick. Denn erst mal klingt das einfach nach der „Lücke zwischen den Sternen und Element of Crime“, wie es in einer Kritik heißt.

Das mag bedeuten: Viel Chanson und etwas Pop mit einer Prise Tom-Waits-Blues und ein bisschen Schmiss, dazu deutsche Texte. Mit gemäßigter Böswilligkeit darf man sich auch an Reinhard Mey erinnert fühlen. Aber nur ganz kurz, denn was Jakob Dobers da schreibt und singt, ist niemals oberlehrerhaft und selten auf schnelle Wirkung aus, auch wenn Zeilen wie „Es gibt Tränen, die sind immer da, auch wenn sie niemand weint“ erst mal nach Parolenpop in leise klingen. Dabei ist es doch nur poetisch, nicht mehr und nicht weniger. Das ist die Stärke von Zimtfisch. Sie thematisieren die Wahrheiten des Alltags – allerdings gut eingewickelt und verschnürt in eine Poesie, die auf den ersten Blick federleicht wirkt und dann doch noch berührt. Anja Kelber

Freitag, 21 Uhr, Schilleroper