■ Nigerias Junta-Chef Abubakar präsentiert Demokratisierungsplan: Chance verpaßt
In der Theorie hat Nigerias neuer Militärdiktator Abdulsalam Abubakar alles richtig gemacht. Das völlig unglaubwürdige Demokratisierungsprogramm seines Vorgängers Sani Abacha befördert er mit all seinen existierenden Parteien, Gremien und Wahlgängen auf den Müllhaufen der Geschichte, und ein neues Demokratisierungsprogramm kommt ans Tageslicht. Nun ist also der 29. Mai 1999 das magische Datum zum Einzug eines gewählten Präsidenten in die Hauptstadt Abuja, nicht mehr der 1. Oktober 1998. Neue Parteien werden entstehen, eine neue und hoffentlich breitere Regierung wird die nächsten zehn Monate lang die politische Öffnung in Nigeria verwalten. Es klingt perfekt, und das Ausland klatscht auch entsprechend Beifall.
In der Praxis macht Abubakar jedoch alles falsch. Nach dem Tod Abachas am 8. Juni – von dem immer deutlicher wird, das es sich um eine verkappte Palastrevolution handelte – wartete er viel zu lange, bevor er seine Pläne fertigstellte. In der Zwischenzeit verschwand auf mysteriöse Weise Oppositionschef Moshood Abiola von der politischen Bühne, der mit seinem demokratisch legitimierten Machtanspruch als Sieger der annullierten Wahlen von 1993 das schwierigste Hindernis für die Militärjunta darstellte. Der ethnische Bürgerkrieg um die Auflösung des Vielvölkerstaates Nigeria, den radikale Oppositionelle schon zu Abachas Zeiten herbeiredeten, ist inzwischen ein Stück Wirklichkeit geworden. Die nigerianische Realität ist über papierne Pläne zur schrittweisen Zivilisierung der Militärherrschaft längst hinweggegangen. Auch ohne Abacha ist das Militär in Nigeria keine neutrale Instanz mehr, die einen pluralistischen politischen Prozeß einleiten könnte.
Abubakars Plan kommt zu spät, als daß man ihm mögliche Unvollkommenheiten nachsehen könnte. Wochenlang ließ sich die Militärspitze von allen Seiten beraten. Um so größer waren die Hoffnungen, daß er auf Ratschläge hört. Viele Stimmen forderten die Junta auf, der radikalen Opposition wenigstens ein Stück weit entgegenzukommen. Die Junta solle endlich einsehen, daß eine Diskussion über die föderale Neugliederung des Landes überfällig ist; daß allseits anerkannte freie Wahlen nur von einer Regierung der Nationalen Einheit, die nicht vom Militär dominiert wird, organisiert werden können. Zu all dem hat Abubakar geschwiegen. Das wird er wahrscheinlich noch bereuen müssen. Dominic Johnson
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