Champions League: Tragischer Niedergang
Der VfB Stuttgart verliert schon wieder. Immerhin bedankt sich das Publikum beim Team für einen ordentlichen Auftritt gegen den FC Sevilla.
STUTTGART tazKurz vor Schluss durchzuckte es Markus Babbel: Mit einem Satz sprang er von der Trainerbank auf, bereit zum Torjubel. Immerhin das 2:3 hätte es zu feiern gegolten, man hätte das Spiel noch ein wenig optimistischer kommentieren können. Doch der Volleyschuss von Serdar Tasci klatschte an die Latte - wieder einmal war eine Millimeterentscheidung gegen den VfB gelaufen. Das Spiel gegen den FC Sevilla war endgültig mit 1:3 verloren - und Babbel musste sich auf die normative Kraft der Emotionen verlegen.
"Ich habe nicht das Gefühl, dass hier irgendein Spieler nicht mehr alles gibt", erklärte er tapfer. Geradezu erleichtert schien er, als er auf seine persönliche Situation angesprochen wurde. Da hatte sich jemand etwas zurechtgelegt: "Ich spüre das volle Vertrauen des Vereins", sagte er mit viel Kraft in der Stimme.
Tatsächlich säße Babbel wohl fest im Sattel, wenn sein VfB die ganze Saison über so gespielt hätte wie an diesem Abend. Ehe Sevilla richtig in der Partie war, hatten sich der starke Zdravko Kuzmanovic (1.), Julian Schieber (7.) und Cacau (12.) erste Torgelegenheiten erspielt. Und noch kurz vor Schluss hätten Schieber (89.) und eben Latten-Schütze Tasci mit etwas Glück weitere Treffer hinzugefügt.
Doch die erzielten die Gäste mit freundlicher Handreichung der Stuttgarter: Beim 1:0 durch Sébastien Squillaci hatte Khalid Boulahrouz seinen Gegenspieler im Fünfmeterraum nicht am Kopfball hindern können (23.). Und vor dem 0:2 pritschte Keeper Jens Lehmann eine Flanke im Stile eines Volleyballspielers vor die Füße von Jesus Navas (55.). Manager Horst Heldt fand es "ärgerlich, dass immer wieder anderen Spielern solch entscheidende Fehler wie bei den ersten beiden Gegentoren passieren".
Die Art und Weise, wie die zustande kamen, sagt allerdings viel aus über das gegenwärtige Dilemma des VfB: Die Mannschaft bringt sich immer wieder geradezu zwanghaft um das Erarbeitete. Dem Niedergang des VfB haftet dabei durchaus auch etwas Tragisches an. Schließlich trainiert Babbel eine Mannschaft, die an guten Tagen spielerisch zum Besten gehört, was der deutsche Fußball zu bieten hat. An schlechten Tagen - und im bisherigen Saisonverlauf gab es kaum andere - ist allerdings so gut wie jeder Spieler für den entscheidenden Lapsus zu haben. Das Stuttgarter Publikum scheint zu merken, dass man das nicht dem Trainer ankreiden kann - mit aufmunterndem Applaus empfing die Fankurve nach dem Schlusspfiff die unglückseligen Spieler.
Es spricht für Heldt, dass er nach dem Spiel am Grundsatz festhielt, den Trainer öffentlich nicht zu demontieren. In die Bewertung der Lage, so ließ er durchblicken, gingen aber sowohl die Leistung als auch die Ergebnisse ein. Letztere sprechen nicht für Babbel: In der Liga hat man acht Punkte, vier der vergangenen fünf Partien gingen verloren. In der Champions League stehen zwei Remis und eine Niederlage zu Buche.
Nach Informationen der Stuttgarter Zeitung hat der Verein Kontakt mit dem Schweizer Marcel Koller aufgenommen, der im September beim VfL Bochum geschasst wurde. Koller schaute sich am Samstag die Heimniederlage des SC Freiburg gegen Bayern München an. Das kann ganz profane Gründe haben - Freiburg ist nicht weit entfernt von Kollers Züricher Domizil. Man kann das aber auch anders interpretieren: Der FC Bayern ist am übernächsten Wochenende Gegner des VfB.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag