: Caution gegen die Computer
Aus dem Backkatalog der Nouvelle Vague: Godards „Alphaville“ zeigt die Zukunft von einst
Narbiges Pokerface, undurchdringlich schwarze Augen, Trenchcoat und Hut, die wie eine etwas zu heiß gewaschene amerikanische Gangstermontur daherkommen, Pistole und Zigarette selbstverständlich: Eddie Constantine war als abenteuernder Haudegen und Verkörperung gut-böser Cartoonfiguren wie Lemmy Caution im französischen Nachkriegskino zum Helden geworden.
Als synthetische Figur ganz und gar real und populär und als Schauspieler keiner von der dummen Sorte, war Constantine für Jean-Luc Godard, den intellektuellen Zeremonienmeister der Nouvelle Vague im Paris der Sechzigerjahre, die ideale Besetzung für seinen futuristischen Anti-Zukunfts-Film. Die Figur aus der Comicstrip-Welt sollte als brachiales Gegengift die toxische Überdosis an Computermacht in Alphaville bekämpfen.
Heute gehen wir mit aktuellen Nachrichten über biometrische Daten und Personenkontrolle in den 35 Jahre alten Film. Wir sehen live, wie brachiale Helden in kalten Weltecken den Weg freischießen. Am Ende ein Tyrannenmord, durch den Caution die verwunschene Tochter des Mabuse-Bösewichts erlöst und ihr den Satz „Ich liebe dich“ endlich beibringt. Die widersprüchlichsten Versatzstücke machen Godards romantische Attacke auf den Kollaps der Moderne wieder aktuell. Übrig bleibt – wie stets bei Godard – ein bizarrer Überschuss an Bildmaterial und Ideenfetzen, leicht mit Patina überzogenes Spielmaterial für Auge und Hirn.
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