: Castoren droht der Rost
Bundesanstalt findet Wassertropfen in den Dichtungen: Ein Problem für alle unter Wasser beladenen Atombehälter? ■ Von Jürgen Voges
Hannover (taz) – Von Korrosion oder auch Rostfraß sind die Metalldichtungen am inneren Deckel von Castor-Behältern bedroht. Die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) hat jetzt bei der Erprobung eines Castors der Bauart 440/84 auch noch nach der Trocknung Wassertröpfchen in der großen Primärdeckeldichtung des Behälters gefunden. Dies geht aus einem Schreiben der BAM an das Bundesamt für Strahlenschutz hervor, in dem die BAM Zweifel an der Langzeitsicherheit aller Castor-Behälter anmeldet, die unter Wasser mit abgebrannten Brennlementen beladen werden.
Von diesen Behältern, die bis zu 40 Jahre zwischengelagert werde dürfen und in dieser Zeit natürlich gasdicht bleiben müssen, stehen bereits sechs im Zwischenlager Ahaus und fünf in Gorleben. Die Castor-Reihe 440/84 steht im Zwischenlager Nord in Lubmin bei Greifswald. An diesen Behältern führte die BAM laut der Berliner Zeitung vom Freitag ihre Tests durch.
Sehr ernst nimmt den Befund der BAM das Bundesumweltministerium. Durch die Feuchtigkeit, die in einer Riefe an der Metalldichtung des Castor-Primärdeckels gefunden worden sei, drohe „Loch- oder Rostfraß“, sagte gestern Ministeriumssprecher Franz August Emde. In jedem Falle müßten die Behälter jedoch über die gesamte genehmigte Lagerzeit „am Deckel absolut dicht sein“. Für den kommenden Donnerstag habe man deswegen ein Gespräch im Bundesamt für Strahlenschutz anberaumt, mit Experten aus Bund und Ländern. Dort solle erörtert werden, ob die Castor-Behälter an den Dichtungen anders konstruiert werden müßten. Es werde auch um die Frage gehen, ob man die bereits in Ahaus und Gorleben eingelagerten elf Behälter reparieren müsse.
In ihrem Schreiben an das BfS spricht die BAM von einem Befund von grundsätzlicher Bedeutung für alle unter Wasser beladenen Behälter. Bei einer am 18. November abgeschlossenen Kalterprobung eines Castor-Behälters der Bauart 440/28 habe man einzelne Wassertröpfchen in der großen Primärdeckeldichtung festgestellt, obwohl der Trocknungsprozeß des Dichtungszwischenraumes zuvor ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, heißt es in dem am Freitag vom niedersächsischen Umweltministerium veröffentlichten Brief. Behälter mit gleichartiger Dichtung befänden sich bereits beladen in den Zwischenlagern Ahaus, Gorleben und Greifswald. Zusammen mit zusätzlichen Fremdstoffen könne das eingeschlossene Wasser zu Korrosionen führen, so daß unter Umständen die langzeitige Beständigkeit dieser Dichtsysteme systematisch gefährdet sein könnte, schreibt die BAM.
Castor-Behälter haben von Haus aus zwei Deckel, zwischen denen unter Überdruck stehendes Gas eingeschlossen ist. Wenn ein Druckabfall eine Undichtigkeit eines dieser beiden Deckel signalisiert, soll im Zwischenlager ein dritter Deckel von außen aufgeschweißt und der Behälter dann zur Reparatur abtransportiert werden. Die BAM hat die Tröpfchen jetzt direkt in den Metalldichtungsringen des Primärdeckels gefunden – zwischen der äußeren Aluminium- und inneren Edelstahlummantelung.
Das Problem der Restfeuchte und der Korrosion in den unter Wasser in den AKW-Abklingbecken beladenen Castor-Behältern war schon in den achtziger Jahren einer der Hauptkritikpunkte von AKW-Gegnern, aber etwa auch der niedersächsischen Grünen am Konzept der Zwischenlagerung in Castor-Behältern. Die Vorsitzende der Grünen-Fraktion im niedersächsischen Landtag, Rebecca Harms, verlangte gestern ein Verbot jeglicher Naßbeladung von Castor-Behältern. BMU-Sprecher Emde wollte gestern allerdings davon nichts wissen und verwies auf den bereits bestehenden Castor- Transportstopp.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen