Castor-Ticker vom 23.11.2011: Castor-Transport ist in Bewegung
Der Castor-Transport hat sich zu seiner Fahrt durch Frankreich aufgemacht. Am Startpunkt blockierten und schotterten Aktivisten. Nun bereiten sich die süddeutschen Anti-Atomgegner auf ihn vor.
Hier endet der Ticker vom Mittwoch, den 23.11.2011. Am Donnerstag früh geht es weiter mit Berichten und Informationen rund um den Castor-Transport von Frankreich nach Gorleben. Sobald sich die Castoren dem Wendland nähern berichtet taz.de rund um die Uhr.
20:09 Uhr: Röttgen ruft zu friedlichen Demonstrationen auf
In einer Erklärung seines Hauses hat Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Proteste gegen den bevorstehenden Castor-Transport nach Gorleben aufgerufen, sich friedlich und besonnen zu verhalten. "Es gibt ein Recht auf Demonstrationsfreiheit, es gibt aber kein Recht auf Gewalt. Gewalttätigkeiten sind kein Mittel der politischen Auseinandersetzung", so Röttgen.
Gleichzeit forderte Röttigen die Gorleben-Kritiker auf, sich konstruktiv an der Diskussion über die Suche nach einem Standort für die Endlagerung des Atommülls zu beteiligen. "Wer jahrelang einen grundlegenden Neuanfang bei der Suche nach einem Endlager fordert, der sollte die einmalige Chance, die es jetzt gibt, nutzen, den Kampf der vergangenen Jahrzehnte zu begraben und das Thema im Konsens zu lösen. Alle gesellschaftlichen Gruppen sollten sich an diesem ergebnisoffenen Prozess beteiligen", sagte Röttgen.
Ziel, so Röttgen, sei es, auf Basis des vorhandenen Wissens den sichersten Standort für ein Endlager zu finden. Für die Standortsuche müsse ein transparentes Verfahren entwickelt werden, in dem von Anfang an die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger gewährleistet sei. Röttgen: "Damit ist das erreicht worden, was viele der Gorleben-Kritiker jahrelang gefordert haben. Es ist deshalb unverständlich, wenn diese Tatsache ignoriert wird und auf eingefahrenen Wegen weiter demonstriert wird, als sei nichts geschehen." (taz)
20:00 Uhr: Cator-Zug wird in Caen erwartet
Der Castor-Zug wird von Demonstranten in Caen erwartet, die den bereits über dem Bahnhof kreisenden Hubschrauber der Polizei als Ankündigung der baldigen Einfahrt interpretieren. Der Zug setzt sich aus zwei Lokomotiven an der Spitze, zwei Waggons mit CRS-Ordnungspolizei, den elf Waggons mit den Castor-Behältern, nochmals einem Wagen mit Polizei und einer Lokomotive am Schluss zusammen. In Caen ist unvergessen, wie vor einem Jahr gewaltlose Atomgegner der Gruppe GANVA, die sich an die Schienen gekettet hatten, um den Zug zum Stillstand zu bringen, mit ausserordentlicher Brutalität von der Polizei entfernt wurden. Die Behörden wollen um jeden Preis verhindern, dass sich das wiederholt.
Das Camp bei Valognes, das als Ausgangsbasis für die heutigen Aktionen diente, wird gegenwärtig von der Polizei durchsucht. Es werden Festnahmen befürchtet. Bisher waren bereits zwölf Personen vorübergehend in Polizeigewahrsam genommen worden. (taz)
18:05 Uhr: Polizeigewerkschaft fürchtet Strahlenbelastung
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hegt nach Meldung der Nachrichtenagentur dapd weiter Bedenken wegen einer Strahlenbelastung für die beim Castor-Transport eingesetzten Beamten. Eine Gesundheitsgefährdung durch möglicherweise erhöhte Strahlenwerte könne nicht ausgeschlossen werden, sagte am Mittwoch GdP-Landesvorsitzender Dietmar Schilff in Hannover. Deshalb wäre "eine Aussetzung des aktuellen Transportes nötig gewesen".
Schilff verwies auf eine Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste im Deutschen Bundestag zu Strahlenmessungen am Zwischenlager Gorleben. Danach fehle insbesondere eine "Auseinandersetzung mit Unsicherheiten und Fehlergrenzen der Strahlenmessungen". (dpad)
17:50 Uhr: Anti-Castor-Proteste in Rouen und Caen.
Das Online-Portal castorticker.de meldet, dass im französischen Rouen eine Demonstration gegen den Castortransport mit etwa 80 Menschen stattfindet, und auch im französischen Caen gibt es eine Gruppe von protestierenden Castor-Gegnern. (taz)
16:50 Uhr: Atomkraftgegner im Südwesten vorbereitet
Atomkraftgegner aus dem Südwesten wollen die Durchfahrt des Castor-Transports von Frankreich nach Gorleben verhindern. Schwerpunkt der Aktionen solle wie in den vergangenen Jahren der Grenzübergang Berg sein, teilten die Initiativen am Mittwoch laut der Nachrichtenagentur dpa mit. Mit einer "Südblockade" wollen die Aktivisten den Zug aufhalten oder zu einem Umweg zwingen. Die Polizei ist nach Angaben aus dem Mainzer Innenministerium vom Mittwoch auf Protestaktionen vorbereitet.
Die genaue Route des Transports ist noch unklar. Drei Varianten für den Grenzübertritt sind möglich: über Kehl, über Berg oder über Saarbrücken. Welche Strecke der Zug nimmt, wird offiziell nicht mitgeteilt. Die Atomkraftgegner im Südwesten erwarten den Zug frühestens am Donnerstagnachmittag, wahrscheinlicher sei jedoch der Freitag. Die Ankunft in Gorleben ist für Samstag geplant.
Bereits am Abend will die Greenpeace-Jugend vor dem Mannheimer Hauptbahnhof demonstrieren. Aus Grablichtern soll ein großes X ausgelegt werden. "Dieser Castortransport darf nicht nach Gorleben rollen", sagte einer der Organisatoren, Faty Arnautovic. Im Zwischenlager Gorleben sei der Strahlengrenzwert bereits in diesem Jahr überschritten worden. (dpa)
16:48 Uhr: Möglicherweise Zwischenstopp in Neunkirchen, so Anti-Atom-Organisation
Laut einer Pressemitteilung der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg spricht die französische Anti-Atom-Organisation "Sortir du nucléaire" von Gerüchten, wonach es einen längeren Aufenthalt in Neuenkirchen/Saar geben könne. Vermutet wird, dass der Zug bei Forbach/Saarbrücken die deutsch-französische Grenze passiert, aber auch die Büregerinitiative geht von längeren Zwischenstopps aus, auch weil die Allgemeinverfügung, die Kundgebungen im Wendland verbietet, erst ab Sonntagnacht 0 Uhr greift. (taz)
16:36 Uhr: Castor-Transport wieder gestoppt
Laut Radio Freies Wendland war die Fahrt des Castor-Transports nicht von langer Dauer. Nach wenigen hundert Metern musste er auf Grund von Warnsignalen wieder stoppen.(taz)
16.20 Uhr: Aktivisten im Steinbruch von Polizei angegriffen
Ein Gruppe von Demonstranten, die in das Camp der Atomgegner, zurückkehren wollten, ist von der CRS-Polizei attackiert, in einen Steinbruch getrieben und dort mit Tränengas und Gummigeschossen angegriffen worden. Zwei Personen wurden durch solche "Flashball"-Geschosse verletzt. (taz)
16:05 Uhr: Castor-Transport losgefahren
Laut Nachrichtenagenturen und dem Onlineportal castorticker.de ist der Castor-Transport soeben im französischen Valognes gestartet. Auf Daily Motion findet sich ein Video, dass die Abfahrt des Zuges zeigt. (taz)
15:45 Uhr: Umweltschutzgruppe für Castor-Transport
Die Organisation Greenpeace Frankreich hat in einer Pressemitteilung den Einsatz von Gewalt seitens der Polizei und der Demonstranten verurteilt. "Gewaltlosigkeit ist ein Grundprinzip von Greenpeace." Was gegenwärtig in Valognes passiere, sei aber Ausdruck der Wut der Franzosen über die Atomkraft: "Das gab es noch nie, dass Hunderte von Bürgern bereit sind, unter persönlichem Einsatz die Fahrt eines Zugs mit radioaktiven Abfällen zu verhindern. Die Leute wollen das nukleare Risiko nicht länger ertragen, sie hören nicht mehr auf die Regierung."
Eine konträre Position vertritt die französische Umweltschützerorganisation "Robin des Bois": "Die Rückkehr dieser Atommülls nach Deutschland ist legitim (...) und entspricht den von der Kernindustrie der beiden Länder unterzeichneten Verträge. Jedes Land, das beschlossen hat, in die Atomkraft zu investieren und sich für die Wiederaufbereitung entschieden hat, ist verantwortlich für die Rückstände. Der beschlossene Ausstieg aus der Atomenergie entbindet Deutschalnd nicht von seiner Verantwortung für die direkt oder indirekt produzierten Abfälle." Aus diesem Grund kritisert "Robin des Bois" die Aktionen von "Castor-Stop": "Die europäischen Bürger, Parteien und Organisationen, die sich der Rückschaffung der Abfälle in die Herkunftsländer widersetzen, fördern längerfristig den internationalen Tourismus und den Export dieser aromaren Abfälle, sie sind so die Alliierten von EDF und anderer Atommüllüproduzenten." (taz)
15:20 Uhr: Castor-Zug scheint abfahrbereit, Polizeiauto brennt
Der Castor-Zug wurde einer Lokomotive angehängt und scheint abfahrbereit zu sein. Gerüchten zufolge soll er demnächst starten. Auf den möglichen Fahrstrecken haben die Castor-Gegner an mehr als zwanzig Orten Demonstrationen und Aktionen geplant. Inzwischen wurden auf Youtube Videos gepostet, die den Einsatz der Polizei gegen die Demonstrantinnen und Demonstranten in Valognes dokumentieren.
Laut Le Figaro steht in der Kommune Flottemanville-Bocage, unweit von Valognes, ein Fahrzeug der Ordnungspolizei CRS in Flammen. Nichts deutet darauf hin, dass es sich um Brandstiftung handelt, hingegen glaubt Le Figaro zu wissen, dass dieser Kleinbus am Rande des Polizeieinsatzes gegen die Demonstranten als Kantine für die Beamten diente und dazu mit einem Gasbrenner ausgestattet war. (taz)
15:19 Uhr: Umfangreiche Strahlenmessungen beim Castor-Transport
Beim aktuellen Castor-Transport von Frankreich nach Gorleben wird es wieder umfangreiche Strahlenmessungen geben. Es gehe um den Schutz der Bevölkerung und des Begleitpersonals, sagte am Mittwoch eine Sprecherin des niedersächsischen Umweltministeriums in Hannover laut der Nachrichtenagentur dpad. Die Grenzwerte für radioaktive Kontamination sowie auch die Dosisleistung von 0,1 Millisievert pro Stunde in zwei Meter Abstand müssten sicher eingehalten werden.
Der diesjährige Atommülltransport nach Gorleben umfasst den Angaben zufolge elf Behälter des Typs "Castor HAW 28M". Diese würden bereits vor dem Transport in Frankreich auf Oberflächenkontamination und Dosisleistung untersucht.
Ein weiteres Mal wird die Dosisleistung nach der Umladung in Dannenberg an den mit den Behältern beladenen Straßenfahrzeugen gemessen. Bei der Annahme im Transportbehälterlager (TBL) in Gorleben werden die Castoren dann nach den Anforderungen des Lagerrechtes auf Kontamination und Dosisleistung ausgemessen.
Im TBL-Wartungsbereich sind dann den Angaben zufolge Arbeiten an jedem einzelnen Behälter vorgesehen, so die Montage des Sekundärdeckels mit dem Druckschalter, eine Dichtheitsprüfung der Sekundärdeckeldichtung und das Einstellen des Sperrraumdruckes mit Helium.
Schon bei der Herstellung der Glaskokillen in der Wiederaufarbeitungsanlage La Hague seien "die Maßnahmen zur Qualitätssicherung des hochradioaktiven Inhalts" von einem unabhängigen Gutachter kontrolliert worden, hieß es. Das niedersächsische Umweltministerium habe sich in La Hague von der ordnungsgemäßen Abfertigung der Behälter überzeugt. (dpad)
14:50 Uhr: Ursache von Stromausfall ist Brandstiftung
Laut dem Online-Portal castorticker.de ist die Ursache des Bahn-Stromausfalls bei Valognes ein gestifteter Brand in einem Trafohäuschen.
14.50 Uhr: Frankreichs Umweltministerin zeigt Unverständnis
Die Nachrichtenagentur afp berichtet, dass laut Behörden bisher zwei Menschen bei den Protesten im französischen Valognes leicht verletzt worden sind - ein Polizist und ein Demonstrant. Frankreichs Umweltministerin Nathalie Kosciusko-Morizet zeigt wenig Verständnis für die Proteste gegen den Castor-Transport. "Wir schicken diesen Müll ins Ausland zurück. Wollen die Demonstranten, dass wir ihn behalten?", fragte sie. (afp)
13:50 Uhr: Start des Castor-Zuges verzögert sich
Eine Unterbrechung der Stromversorgung wird den Start des Castor-Zuges von Frankreich nach Gorleben voraussichtlich verzögern. Nach Informationen des französischen Fernsehsenders France 3 ist die ursprünglich für 14.36 Uhr geplante Abfahrt des Transports vom Bahnhof im nordfranzösischen Valognes deshalb gefährdet. Allerdings wird der Transport von Diesel-Lokomotiven gezogen, die nach Einschtäzung der Zuggewerkschaft Sud Rail auch ohne Stromversorgung fahren können. Noch immer versuchen rund 300 Aktivisten den Konvoi mit dem hoch radioaktiven Material zu verhindern. Sollte der Zug wie geplant am frühen Nachmittag losfahren, würde er voraussichtlich am Donnerstagmorgen die deutsche Grenze überqueren. (dapd)
13:30 Uhr: Französische Polizei geht brutal gegen Castor-Gegner vor
Mehreren hundert Demonstranten ist es am Vormittag gelungen, südlich von Valognes über Felder und dank eines dichten Nebels das massive Polizeiaufgebot zu umgehen und bis auf die Gleise vorzudringen, auf denen am Nachmittag nach dem Willen des Atomkonzerns Areva der Castor-Zug in Richtung Gorleben durchfahren soll. Bei den Aktion wurden Schienen verbogen und der Schotter entfernt, auch wurden Metallstücke oder grosse Steine als symbolische Hindernisse auf den Geleisen deponiert.
Bei Konfrontationen mit den Castor-Gegnern ging die französische Polizei sehr brutal vor; das französische Fernsehen zeigte Bilder, auf denen Beamte mit Knüppeln auf unbewaffnete Demonstranten einschlagen und sie aus der Nähe mit Gas besprayen. Auch Blendgranaten sollen eingesetzt worden sein. Im Verlauf des Vormittags wurde zehn Personen festgenommen, die meisten von ihnen kamen nach einer Identitätsüberprüfung wieder frei. Am Mittag gingen diese sporadischen Besetzungen weiter. Die Polizei versucht, die Beschädigungen an Schienen zu beheben. Ein Areva-Sprecher sagte, sein Konzern akzeptiere andere Meinungen, können aber solche "verantwortungslose" Aktionen von militanten Atomkraftgegnern nicht dulden.
Das benachbarte Valognes, von wo der Castor-Zug laut ursprünglichen Plänen um 14.20 Uhr abfahren soll, gleicht einer Stadt im Belagerungszustand. Die Ordnungshüter haben Sperren errichtet, an denen nur Anwohner nach einer Ausweiskontrolle passieren dürfen. Zahlreiche Strassen sind für den Verkehr gesperrt und Schulen geschlossen. "Sorti du Nucléaire" protestiert, damit werde in der Bevölkerung ein Klima der Angst geschaffen. (taz)
***
Taz-Autoren vor Ort: Rudolf Balmer, Sebastian Fischer, Klaus-Peter Klingelschmitt, Martin Kaul, Reimar Paul, Annika Stenzel, Benjamin Laufer, Teresa Havlicek, Ingo Arzt, Malte Kreutzfeldt, Jörn Alexander, Felix Dachsel, Julia Seeliger, Christian Jakob
In der Berliner Redaktion: Carl Ziegner, Marie-Claude Bianco, Jannis Hagmann, Corinna Klingler, Matthias Urbach, Thomas Schmid, Paul Wrusch
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen