Castor-Protestler im Sixt-Video: "Das ist Werbung!"
Der Autovermieter Sixt wollte provozieren und die Castor-Proteste für PR nutzen. Doch im Youtube-PR-Spot sind etliche Demo-Teilnehmer klar zu erkennen. Hat das ein Nachspiel?
taz: Herr Feldmann, eine Werbeagentur hat auf der Castor-Demo einen Clip gedreht, für den sie Personen mit Transparenten und Flugblättern für den Autovermieter Sixt inszeniert hat. Dieser kursiert jetzt im Netz. Ist das Werbung?
Dirk Feldmann: Grundsätzlich ist das selbstverständlich Werbung. Weil Sixt dadurch auf seine Produkte und Leistungen aufmerksam machen möchte.
Etliche Demo-Teilnehmer sind im Bild und klar zu erkennen. Ist das rechtens?
Das Kunsturhebergesetz sagt ganz klar: Jede Person hat ein Recht am eigenen Bild. Danach muss jeder, dessen Bild irgendwo gezeigt wird, seine Zustimmung geben. Das gilt nicht, wenn aus dem Bereich der Zeitgeschichte, über Versammlungen, Aufzüge und ähnliche Vorgänge berichtet wird. Dann müssen Personen es hinnehmen, dass sie gezeigt werden. Mit einer Ausnahme: Wenn es sich um Werbung handelt. Die Antwort ist ganz klar: Wenn Personen, die an dieser Castor-Demonstration teilgenommen haben, im Rahmen von Werbefilmen gezeigt werden, müssen sie vorher gefragt werden. Ansonsten wäre dies rechtswidrig.
Welche Möglichkeiten haben all jene, die zu erkennen sind, ohne ihr Einverständnis gegeben zu haben?
Man kann die Ausstrahlung nicht rückgängig machen, aber für die Zukunft haben sie einen Unterlassungsanspruch. Sie können die Agentur sowie diejenigen, die diese Bilder über einen Fernsehsender oder einen Internetprovider verbreiten, auffordern, eine Unterlassungserklärung abzugeben, in der sie sich verpflichten, diese Bilder nicht mehr auszustrahlen.
Wie erwirkt man so eine Unterlassungserklärung?
Die wird zunächst außergerichtlich verlangt. Man schickt ein anwaltliches Schreiben zu, in dem steht, was man unterlassen haben möchte und die Gegenseite auffordert, eine entsprechende Erklärung unterzeichnet zurückzuschicken. Passiert dieses nicht innerhalb der gesetzten Frist oder wird die Unterzeichnung verweigert, muss man vor Gericht eine einstweilige Verfügung erwirken.
Entstehen dadurch Kosten?
Wenn eine einstweilige Verfügung erlassen wird, setzt das Gericht gleichzeitig fest, dass die Kosten für Gericht und Anwalt von dem Rechtsverletzer getragen werden müssen.
Die Demo-Teilnehmer sind als Idioten vorgeführt. Gibt es auch die Möglichkeit auf Schadenersatz?
Es gibt zwei finanzielle Ansprüche. Einmal das sogenannte Bereicherungsentgelt: Wer einen Werbefilm herstellt, muss seine Komparsen dafür bezahlen, dass sie daran teilnehmen. Dadurch entsteht ein Anspruch auf das übliche Komparsen-Honorar. Der ist nicht hoch. Wenn aber bekannte Persönlichkeiten darunter sind, etwa der Sprecher der Organisation, dann würden sich ganz andere Honorare ergeben. Wenn diese Personen die Message des Werbefilms aufgrund der gewählten Darstellung mittragen oder bekannte Persönlichkeiten sind und durch diesen Film in ihrer Protesthaltung diffamiert werden, kann auch ein Schmerzensgeldanspruch entstehen. Da reden wir dann sicherlich über vierstellige Beträge, nach oben offen. Sixt hat ja Erfahrung in diesem Bereich. Es gab einen Prozess um Oskar Lafontaine, bei dem der Bundesgerichtshof gesagt hat, das ist Satire, freie Meinungsäußerung, man macht sich über einen Minister lustig, das darf man. Es könnte sein, dass Sixt sich aufgrund dieser Erfahrung gedacht hat, das bekommen wir unter dem Mantel der Meinungsäußerung oder der satirischen Darstellung von Sachverhalten, die als Berichterstattung gelten kann, durch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“