Castor-Aktionstag: Ausstieg verunsichert Atomkraftgegner
Zum bundesweiten Castor-Aktionstag kamen nicht mal 6.000 Menschen. Der Anti-Atom-Bewegung fällt es schwer zu mobilisieren. Dabei ist die Endlagerfrage offen.
GÖTTINGEN taz | Die Bilanz ist nicht berauschend: An 57 Orten hätten Atomkraftgegner am Samstag Aktionen veranstaltet, rund 6.000 Menschen seien gekommen, fasste die Anti-Atom-Organisation "Ausgestrahlt" am Sonntag zusammen. Und auch diese Zahlen scheinen zu hoch gegriffen.
Unter dem Motto "Warmlaufen für den Castor". hatten Anti-AKW-Initiativen und Umweltverbände zu bundesweiten Protesten gegen den bevorstehenden Atommülltransport nach Gorleben aufgerufen. Entlang der Strecke, auf der die Fuhre voraussichtlich in knapp vier Wochen ins Wendland rollen wird, waren Mahnwachen, Happenings und Kundgebungen angekündigt.
Tatsächlich beteiligten sich im Kreis Lüchow-Dannenberg rund 200 Aktive an einem Schienenspaziergang. 300 Menschen folgten dem Aufruf zur Demo am fränkischen AKW Grafenrheinfeld. Vielerorts versammelten sich nur wenige Dutzend Leute, um Atommülltransporte mit Castor-Attrappen zu simulieren.
Der Ausstieg sei nur ein Teilerfolg
Manche Initiativen räumen ein, dass die Anti-Atom-Bewegung zurzeit Mobilisierungsprobleme hat. In Grafenrheinfeld habe man mit deutlich mehr Teilnehmern gerechnet, sagt etwa Babs Günther vom Bündnis "Energiewende Unterfranken".
Dabei sind sich die meisten Aktivisten in der energiepolitischen Analyse durchaus einig: Der beschlossene Atomausstieg ist nicht ausreichend, das Abschalten von 8 der 17 Atomkraftwerke allenfalls ein Teilerfolg. Anti-AKW-Veteran Peter Dickel von der Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad erkennt an, dass die schnelle Reaktion der Bundesregierung auf das Unglück in Fukushima ein "kluger Schachzug war" und viele Atomkraftgegner verunsichert habe. "Nicht wenige denken, der Ausstieg ist nun vollzogen", sagt er.
Für die Proteste gegen den Castortransport rechnen die Organisatoren gleichwohl wieder mit Zulauf. Die ungelöste Endlagerfrage und das Tohuwabohu um erhöhte Messwerte am Gorlebener Zwischenlager werden Ende November wieder viele tausend Demonstranten ins Wendland treiben, sind die örtlichen Widerstandsgruppen überzeugt. Die niedersächsische Landesregierung will voraussichtlich am Dienstag entscheiden, ob der Transport stattfindet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen