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■ Cash and CrashKleinspekulanten – geht nach Großbritannien!

Dublin (taz) – Ein Gerichtsurteil hat die britische Bankwelt in Aufruhr versetzt, und die Lloyds Bank in London beeilte sich zu versichern, daß es sich keineswegs um einen Präzedenzfall handele: Sie war vorgestern zur Zahlung von 77.500 Pfund Schadensersatz verurteilt worden, weil sie zwei Möchtegern-Geschäftsleuten Geld für einen Immobilienkauf geliehen hatte, der sich als Fehlspekulation entpuppte.

Die 55jährige Lehrerin Julia Verity und der 36jährige Akupunkteur Richard Spindler hatten 1988 einen Kredit in Höhe von 150.000 Pfund von der Lloyds-Zweigstelle in Beaconsfield aufgenommen, um ein heruntergekommenes Reihenhaus zu kaufen und zu renovieren. Zwei Jahre später wollten sie das Haus – entsprechend dem Rat des damaligen Lloyds-Filialleiters Maurice Hunt – mit 10.000 Pfund Gewinn verkaufen, doch die Immobilienpreise waren inzwischen in den Keller gesackt. Die beiden erhielten nur 135.000 Pfund dafür.

Verity und Spindler argumentierten vor Gericht, daß die Bank ihre Sorgfaltspflicht gegenüber ihrer Kundschaft vernachlässigt habe. Richter Robert Taylor fand das auch. „Der Verlust aufgrund der Beratung durch die Bank war einigermaßen vorhersehbar“, sagte er, „wenn Maurice Hunt Sorgfalt hätte walten lassen, dann hätte er dem Paar geraten, das Projekt zu vergessen.“ Statt dessen hatte er sich nicht einmal die Pläne vorlegen lassen.

Der fünfjährige Prozeß habe die Beziehung der beiden stark belastet, sagte Verity: „Der Altersunterschied zwischen uns ist so groß, und Richard sollte sich eigentlich eine junge Frau suchen, aber wegen der ganzen Angelegenheit mußten wir bis heute zusammenbleiben.“ Den „emotionellen Schaden“ schloß der Richter in seiner Urteilsbegründung aber aus. Verity und Spindler hatten insgesamt 350.000 Pfund gefordert. Ihr Erfolg könnte sich als Pyrrhussieg erweisen: Lloyds verlangt von ihnen 115.000 Pfund Zinsen.

Bei den Banken hat das Urteil jedoch Panik ausgelöst. Bisher sind bereits Tausende von Klagen gegen Pensionskassen mit einem Streitwert von zwei bis vier Milliarden Pfund wegen falscher Beratungen anhängig. Sollte dasselbe Haftungsprinzip nun auf Banken angewendet werden, käme eine Prozeßlawine auf die Geldinstitute zu. „Das Urteil wird ein Erdbeben bei den Banken auslösen“, sagte die Bank Action Group, eine Bürgerinitiative gegen Bankenwillkür. Und ein Wirtschaftsexperte meinte, daß die Banken künftig haftbar gemacht werden müssen: „Sie nehmen von kleinen Unternehmen hohe Zinsen, ohne im Gegenzug viel dafür zu leisten“, sagte er. Allerdings prophezeit er auch, daß die Banken als Reaktion ihre Gebühren erhöhen und nur noch bombensichere Geschäfte finanzieren werden. Ralf Sotscheck

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