■ Cash & Crash: Good News Is Bad News
Berlin (taz) – Morgen spricht mal wieder das Orakel der Bundesbank. Aber die Geldauguren hören nicht mehr so gespannt hin, wie noch am Anfang dieses Jahres. Die Leitzinsen könnten sinken; wahrscheinlich würde das dem schwachen Franc helfen, vielleicht aber auch nicht. Die Börse kennt zur Zeit andere Fragen.
Als vor drei Wochen vor allem Automobil-Titel in die Höhe schnellten, schien das Phänomen eher vorübergehender Art zu sein. Ein Irrtum. Wer damals zu schnell verkaufte, hat Geld verloren. Denn wider Erwarten hält die Hausse der deutschen Aktien an.
Natürlich weiß kein Mensch warum. Alle ernst zu nehmenden Fachleute sagen eine weitere Rezession voraus. Der Börsenkommentar von Schröder Münchmayer und Hengst („SMH“) behilft sich mit einer Faustregel: „Bad news is good news.“ Wunderbarerweise soll nach Meinung dieser Insider der schwungvolle Aktienhandel mitten in der Krise zurückwirken auf die Industrie, Umsätze beflügeln, rote Zahlen kürzen und womöglich auch Arbeitsplätze schaffen: Denn das „Umfeld“ verbessere sich, besagt die SMH-Zyklentheorie. Dann nämlich seien „bad news“ bald „good news.“ Nur interessiert sich jetzt niemand mehr dafür, womit „good news no news“ werden, und schon sind „bad news“ wieder nur „bad news“.
Ende der Erklärung, die an einem gewissen Übergewicht tautologischer Sätze zu leiden scheint. Unglücklicherweise gehört ein Investment-Angebot des Hauses Schröder Münchmayer und Hengst zu den Verlieren der Saison. Der durchschnittliche Wertzuwachs von Anlage- Fonds, die überwiegend deutsche Aktien halten, stieg im ersten Halbjahr 1993 um 10,8 Prozent, am schlechtesten schnitt der SMH-Spezial-Fonds ab, der – antizyklisch – 0,7 Prozent an Wert verlor. Bad news is bad news.
Gewinner des Wochenbeginns in Frankfurt ist hingegen die Viag-Aktie. Sie stieg um 8,66 Prozent auf 445,50 Mark. Der Mischkonzern, oft als „Veba für Arme“ verspottet, hat dem Freistaat Bayern die Bayernwerke abgekauft, will mit den Atomstromern fusionieren und nach München umziehen. Erklärungen, warum diese drei Elemente zusammen eine sichere Gewinnerwartung rechtfertigen, werden noch gesucht.
Tatsächlich ist die gegenwärtige Hausse nicht von deutschen Anlegern angeheizt worden. Die wüßten besser Bescheid. In Frankfurter Börsenkreisen kursieren heiße Namen amerikanischer Anleger, die in den deutschen Markt fliehen und hier einfach alles kaufen wollen. Immerhin hat der Präsident der amerikanischen Notenbank soeben verkündet, die heiligen Spielregeln monetaristischer Konjunkturpolitik gälten für ihn nicht mehr. Mister Greenspan will die Geldmenge in Zukunft an das „reale Zinsniveau der Wirtschaft“ anpassen. Nur Amerikas oberster Währungshüter weiß bisher, was damit gemeint ist. Eine von allen bayrischen Amigos abgesegnete Viag-Aktie mag dagegen tatsächlich wie das pure Gold erscheinen. Niklaus Hablützel
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