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■ Cash & CrashSonnenuntergangsmeditation

Tokio (taz) – Wenn die Kurse an der Tokioter Börse sinken und sinken, schaut die Welt gen Osten. Nicht etwa, weil man selbst Geld verliert, sondern die anderen. Noch immer gehören nur 15 Prozent der in Tokio notierten Aktien ausländischen Anlegern. Das erklärt die westliche Lust an der untergehenden Sonne. Allein daß am Montag die Tokioter Börse 556,35 Punkte oder 3,1 Prozent auf dem Nikkei- Index verlor, könnte jene Geister reanimieren, die seit dem Tokioter Aktienhoch in den achtziger Jahren von nichts anderem als dem japanischen Crash schwärmen. Grund für die Schwarzmalerei gibt es allemal. Schon in der ersten Novemberwoche verlor der Nikkei 5,6 Prozentpunkte und rutschte unter den kritischen Stand von 18.000 Punkten. Bei einem vergleichbaren Aktienstand hatten die großen institutionellen Investoren im März ihre Bücher geschlossen und waren noch einmal glimpflich davongekommen. Besonders die japanischen Banken, die bis zu 45 Prozent ihres Eigenkapitals in Aktien anlegten, geraten bei einem niedrigen Börsenstand in Gefahr, die international geforderte Eigenkapitalrate von 8 Prozent zu unterschreiten. Das könnte für die Weltwirtschaft schwerwiegende Konsequenzen haben. Denn Nippons gigantische Sparguthaben sind derzeit die letzte potentielle Quelle für globales Kreditwachstum. Wenn die japanischen Finanzinstitutionen diese Reserven jedoch aufgrund des Börsentiefs zurückhalten müssen, fehlen auch in Amerika die Kreditgeber.

Kommt hinzu, daß es diesmal ausnahmsweise nicht um Insiderskandale geht; die Gesetze der neuen Regierung greifen hier durchaus. Um so schwerer wiegt die Baisse: „Der Aktienmarkt reflektiert die fundamentale Schwäche der Unternehmensergebnisse“, so Finanzminister Hirohisa Fujii. Tatsächlich stehen derzeit alle Firmen mit Rang und Namen auf der Abschußliste der Investoren. Toyota, Nissan und Mazda fallen. Die japanischen Automobilhersteller mit Ausnahme von Mitsubishi Motors erwarten in diesem Jahr Verluste oder allenfalls Minimalgewinne. Ebenso schlecht ergeht es den berühmten High-Tech-Konzernen wie NEC, Fujitsu und Sharp. Sie verlieren Boden an der Börse, weil die Märkte für Computer, Videorekorder und ähnlichen Hardware-Ramsch längst gesättigt sind. Ganz zu schweigen von den alten Großunternehmen der Stahl- und Schiffsbaubranche. Sogar die Zentralbank in Tokio erwartet für das Geschäftsjahr 1993 den ersten Wachstumsrückgang in Japan seit 19 Jahren. Georg Blume

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