■ Cash & Crash: Mit Bond gegen die Angst vor der Zukunft
Berlin (taz/wps) – Sechsmal hat Alan Greenspan, Präsident der US-Zentralbank Fed in diesem Jahr die amerikanischen Zinsen angehoben – und jedesmal den Aktienspekulanten einen Schock versetzt. Denn hohe Zinsen bremsen die Entwicklung der Wirtschaft und damit auch der Aktienkurse. Auch in US-amerikanischen Unternehmen lösen die Zinsbeschlüsse das große Zittern aus, denn dort müssen die Beschäftigten um ihre Jobs fürchten, wenn die Chefs sparen müssen. Auf die letzte Erhöhung der Zinsen Mitte November reagierten Gewerkschaften mit einer Demo vor dem Hauptquartier der Federal Reserve Bank in Washington. „Greenspan, warst du jemals arbeitslos?“, fragte ein Transparent.
Das rief Verteidiger der Fed auf den Plan. Die Fed, so sagen Finanzexperten, könne eigentlich gar nichts dafür, daß die Zinsen steigen. Die Zentralbank kann nur die kurzfristigen Zinsen festlegen. Viel wichtiger für arbeitsplatzschaffende Investitionen jedoch seien die Zinssätze für langfristige Anlageformen, mit denen sich Staaten und Großunternehmen Geld auf den Kapitalmärkten besorgen.
Damit steht der Schuldige fest: Es ist der „bond market“, der Markt für festverzinsliche Anleihen, der in der vergangenen Woche in den USA um zwei Prozent zulegte, während gleichzeitig der Dow-Jones-Aktienindex drei Prozent verlor. Am „bond market“ treiben Anleger die Renditen in die Höhe, sobald es der Wirtschaft mal gutgeht. Denn mit der wirtschaftlichen Expansion wächst meistens auch die Geldmenge, es dräut Inflation. Die aber fürchten die Besitzer von Anleihen wie der Teufel das Weihwasser, weil die Inflation ihr langfristig festgelegtes Geld entwertet. Also muß jeder, der neue Anleihen verkaufen will, als Ausgleich für die befürchtete Geldentwertung immer höhere Zinsen bieten. Um über Staatsanleihen Geld zu bekommen, muß die US-Regierung die Anleger jetzt schon mit sieben bis acht Prozent Zinsen im Jahr ködern. Je länger die Anleihe läuft, desto höher die Zinsen. Bei einer Preissteigerungsrate von lediglich 2,6 Prozent in diesem Jahr in den USA kann den Anlegern dabei durchaus eine Inflationsparanoia unterstellt werden.
Wenn es aber für Unternehmen und die öffentliche Hand immer teurer wird, über den Kapitalmarkt an Geld zu kommen, wird weniger investiert. Und so beeinflußt der Anleihenmarkt indirekt auch den Aktienmarkt, wo die Kurse angesichts düsterer Wachstumsaussichten einbrechen.
Allerdings braucht sich die US-Regierung nicht zu wundern über dieses 8,8 Billionen Dollar schwere Monster (so groß ist der Gesamtwert der US-Anleihen). Denn es ist ja vor allem der Staat, der die Anleihen auf den Markt gebracht hat, um sein Defizit zu decken. Seit 1980 ist die staatliche Verschuldung von einer auf 5,3 Billionen Dollar gewuchert. Nicola Liebert
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