■ Cash & Crash: Labors Pfunde
London (taz) – Der Waffenstillstand, den Premierminister Major seiner zerstrittenen Partei vor zwei Wochen verordnet hatte, ist gebrochen. Am Montag abend meldete sich Schatzkanzler Kenneth Clarke zu Wort und erklärte, der rechte Tory-Flügel sei Schuld an den Turbulenzen auf den Devisenmärkten, vor allem am Absturz des britischen Pfundes. Der Sterling-Kurs lag gestern bei 2,2055 Mark, nachdem er am Montag zwei Pfennig gutgemacht, gegen den US-Dollar jedoch wieder verloren hatte.
Dagegen wäre die einheimische Wirtschaft besser geschützt, sagte Clarke, wenn Großbritannien Teil einer Europäischen Währungsunion wäre. „Die Tatsache, daß einige meiner Parteikollegen versuchen, den Streit um Europa anzuheizen, fördert nicht gerade das Vertrauen der Märkte.“
Kenneth Clarke solle sich lieber um das Vertrauen in seine eigene Person kümmern, gaben die Euro-Gegner bei den Tories zurück. Denn der Mann irrt gelegentlich. Vor zwei Wochen hatte er das Stahlwerk von Consett, das seit 1980 geschlossen ist, als „eins der besten in Europa“ bezeichnet. Am Wochenende lobte er die Produktivität einer Windelfabrik in derselben Stadt – sie hatte 1991 dichtgemacht. Die Opposition ist begeistert. „Zum erstenmal hat der Schatzkanzler eingestanden, daß der Streit bei den Tories unserer Wirtschaft und Währung schadet“, sagte Gordon Brown, der Finanzexperte der Labour Party.
Tatsächlich sieht Tory- Rechtsaußen Norman Tebbit schon Großbritanniens Untergang voraus. Nach der Europäischen Währungsunion müsse der Schatzkanzler seine Rede zum „Budget Day“ gar nicht mehr schreiben: „Sie wird ihm dann aus Frankfurt von der Europäischen Zentralbank zugefaxt“, vermutet der frühere Parteivorsitzende der Tories. Und das Parlament könne man ebenfalls einmotten: „Es wird dann wie die Monarchie zur Touristenattraktion, anstatt uns zu regieren.“ Das wiederum werde unweigerlich zur Gesetzlosigkeit führen. „Früher oder später wird sich das Volk einfach weigern, den Gesetzen zu gehorchen, weil sie im Ausland gemacht werden.“
John Major rauft sich die Haare. Das allerdings könnte eine Vorbereitung auf den nahen Tag sein, an dem er den Hut nehmen muß. Ralf Sotscheck
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