■ Cash & Crash: Keine Ahnung
Berlin (taz) – Das Letzte, was wir an dieser Stelle wagen würden, ist eine Vorhersage über den künftigen Dollarkurs. Denn all die Auguren, die sich in den vergangenen anderthalb Jahren daran versuchten, hätten besser im Kaffeesatz oder im Gekröse von Opfertieren lesen sollen. Zigmal wurde das Ende der Dollarbaisse vorhergesagt – so gerade erst in der vergangenen Woche. Und zigmal machten alle die, die sich auf dergleichen Horoskope verlassen hatten, Verluste – so gerade wieder zu Beginn dieser Woche. Ohne uns. Schreiben wir an dieser Stelle lieber davon, warum die Spekulationen über Wechselkurse bloße Spekulationen bleiben. An Theorien mangelt es nicht, warum sich eine Währung unter bestimmten Voraussetzungen in eine bestimmte Richtung bewegen muß – oder jedenfalls müßte. Theoretisch. Sehr elegant, wenn auch leider in der Praxis selten zutreffend, ist die Theorie der Kaufkraftparität. Demnach pendelt sich beispielsweise der US-Dollar gegenüber der D-Mark auf einem Wert ein, wo ein definierter Warenkorb in Deutschland genausoviel kostet wie in den USA. Ein Dollar wäre dann ungefähr 1,60 Mark wert. Bekanntlich rutschte er jedoch längst auf rund 1,40 Mark.
Auch aus der Zahlungsbilanz soll man Währungsentwicklungen ablesen können. Klafft in der Außenhandelsbilanz eine Lücke, spricht vieles für die Abwertung der Landeswährung. Die Importe werden teurer, die Exporte günstiger, und die Handelsbilanz kommt wieder ins Gleichgewicht. Theoretisch. Die USA mit ihrem ewig weiterwachsenden Defizit sind ein perfektes Gegenbeispiel.
Außerdem muß man natürlich auf die Zinsentwicklung schauen. Hohe Zinsen machen die Geldanlage in der betreffenden Währung attraktiv. Durch die Nachfrage steigt der Preis der Währung. Oder auch nicht. Denn hohe Zinsen würgen die Konjunktur ab, und die Geldanleger hauen wieder ab. Von psychologischen Fragen (Wer gewinnt die nächsten Wahlen? Wie wird das Wetter?) haben wir dabei noch gar nicht gesprochen. An dieser Stelle reagieren die Theoretiker mit einem Modell, dessen Name schon andeutet, daß es nicht für Normalsterbliche gedacht ist. Die Rede ist von der heterogenen autoregressiven konditionalen Heteroskedastizität. Die Theorie besagt ungefähr, daß sich der Kurs einer Währung durch lauter gegenläufige Tendenzen bestimmt. Daß sich langfristiges Kapital anders verhält als kurzfristige Anlagen. Daß Notenbanken andere Interessen haben als Im- und Exporteure. Und was sagt das über den künftigen Dollarkurs aus? Daß er steigen oder auch fallen könnte. Oder wie der oberste Devisenhändler einer New Yorker Investmentbank sagte: „Wir haben keine Ahnung, und entsprechend haben wir investiert.“ Nicola Liebert
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